Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 56. Sitzung / Seite 225

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Ich möchte jetzt mit grüner Friedfertigkeit versuchen, Ihnen einmal zu erklären, wie ich und mit mir wirklich zahlreiche andere die Gefahr von Antibiotikaresistenzen wirklich sehen. Wie Sie vielleicht wissen, ist seit den vierziger Jahren die Zahl gefährlicher Infektionserkrankungen durch die Einführung von Penicillin und Streptomycin deutlich gesunken. (Zwischenruf des Abg. Dr. Pumberger. ) Dr. Pumberger! Sie nicken! Das freut mich.

Allerdings besitzen Bakterien und andere Erreger wie Viren, Parasiten und Pilze, wie man seit Jahren weiß, die Eigenschaft, sich sehr raffiniert gegen ihre Feinde, die Antibiotika, zu wehren. Das ist nicht, wie Sie vielleicht glauben, eine linksextreme grüne Strategie, sondern eine natürliche Eigenschaft der Natur. (Heiterkeit bei den Grünen.) Diese drückt sich einerseits in Spontanmutationen aus, weiters durch einen gewissen Selektionsdruck der Antibiotika selbst sowie auch durch etwas besonders Raffiniertes, nämlich durch den Austausch genetischen Materials von Bakterienzelle zu Bakterienzelle.

Da das seit vielen Jahren bekannt ist – es ist zwar etwas kompliziert, aber nicht so kompliziert, dass es verantwortliche PolitikerInnen nicht verstehen können –, meine ich, dass ein Händewaschen in Unschuld der Verantwortlichen nicht mehr gutzuheißen ist. Der Ausspruch "Wir haben nichts gewusst!" gilt daher für mich auf höherer Ebene nicht mehr! Vielmehr gilt das Bekenntnis: "Wir haben zu wenig getan!" – Ich sage nicht, dass nichts getan wurde, aber zu wenig. So muss es wohl vor sich gegangen sein.

Ich gebe auch ohne weiteres zu, dass ein guter Teil dieser Gefahren der Antibiotikaresistenz und damit sehr viele Erkrankungen, Leid und auch Todesfälle sozusagen hausgemacht sind, und da müssen uns wir MedizinerInnen – und ich meine jetzt einmal nicht die VeterinärmedizinerInnen – auch auf die eigene Brust klopfen: Diese Resistenzen sind primär und zu einem großen Teil auch im medizinischen Bereich durch zu lockere beziehungsweise zu wenig gezielte Anwendung entstanden.

Das bedeutet aber nicht – und dafür gibt es eine Reihe von sehr validen Daten –, dass die Landwirtschaft diesbezüglich aus der Verantwortung genommen werden muss. Ich habe mir ein paar Zahlen herausgeschrieben und war selbst überrascht: Über 50 Prozent aller Antibiotika finden nicht in der Humanmedizin, sondern in der Landwirtschaft Verwendung. Das ist interessant! Und von diesen über 50 Prozent werden nur 20 Prozent in therapeutischer Absicht verschrieben, der Rest im Sinne von falsch verstandener – wie man zumindest jetzt sieht – Prophylaxe oder als so genannte Wachstumsförderer. Wenn man große Kongresse verfolgt oder diesbezügliche Publikationen liest, dann wird ganz klar, dass 40 bis 80 Prozent dieser Fälle von Antibiotikaeinsatz wissenschaftlich extrem fragwürdig sind. Ich glaube, das werden die Händler und viele PolitikerInnen den Bauern nicht erzählt haben, daher würde ich auch nicht jeden einzelnen Bauer dafür verantwortlich machen! Dass es aber große Aufklärungskampagnen von Seiten der Politik gegeben hätte, wäre mir allerdings auch neu.

Sogar Tuberkulose, Malaria und Aids zeigen steigende Therapieresistenzen, und wir sollten uns dessen bewusst sein, was das bedeutet und welche Gefahren damit verbunden sind!

Internationale Gremien empfehlen Folgendes, und das ist relativ neu, ich habe sogar aus Amerika Unterlagen bekommen, die noch mit Korrekturzeichen versehen, also taufrisch sind. Jedenfalls wird das Verbot von Wachstumsförderern empfohlen, es wird aber auch zum Schutz der Landwirtschaft empfohlen, Antibiotika durch Alternativen, Hygiene und andere Haltungsbedingungen, zu ersetzen. Gemäß den Unterlagen empfehlen internationale Gremien weiters die Erlassung von Richtlinien betreffend einen gezielten und rationalen Einsatz von Medikamenten in der Therapie, sie empfehlen die Erstellung von überregionalen Datenbanken zur Erfassung von Resistenzlagen, verbesserte Diagnoseverfahren bei Infektionserkrankungen und auch eine verbesserte Ausbildung aller damit Befassten.

Das heißt, Sie müssten eigentlich nur die Literatur lesen, Kongresse verfolgen und Realitäten wahrnehmen, statt zu vertuschen, zu beschönigen und zu verharmlosen! Ich glaube, wenn Sie in der Politik Partner der Menschen – und das sind ja alle Konsumenten! – sein wollten, dann wären Sie gleichzeitig auch Partner der Bauern. So einfach wäre das!


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