Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 58. Sitzung / Seite 78

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ordneten – bewegen, sicherlich nicht in jenen Kreisen, in denen ich lebe. Ich lebe nämlich in einer Stadt, in einer Arbeiter-Stadt, in einer Siedlung, wo Inländer und Ausländer, Arbeitslose, Berufstätige, alte Menschen, behinderte Menschen, Kinder, also Menschen aus allen Bevölkerungsschichten, nur nicht die so genannten Reichen, leben. Von dort komme ich her, und dort ist die Realität eine andere als in jenen Bereichen, in denen sich Minister Grasser, die übrige Bundesregierung und die Abgeordneten der Regierungsparteien bewegen. (Beifall bei den Grünen.)

Gerade weil wir jene sind, die die Bevölkerung in Österreich, die die in Österreich lebenden Menschen vertreten sollten, ist es unsere verdammte Aufgabe, für die Menschen, die in Österreich leben, Politik zu machen und ihnen eine Lebensgestaltung zu ermöglichen, bei der sie angstfrei – ohne Angst vor Krankheit, vor Behinderung, vor Arbeitslosigkeit und vor sozialer Armut – leben können. – Diese Angst, meine Damen und Herren, die gibt es aber wieder, die gibt es noch viel stärker, seit es diese Bundesregierung gibt. (Beifall bei den Grünen.)

Ich erinnere mich zurück: Vor zirka 15, 16 Jahren – das war damals, als ich im Sozialbereich tätig wurde – hat zum Beispiel ein Zivildiener täglich 146 S bekommen, damit er sich etwas zu essen kaufen kann, während er heute nur 43 S bekommt. Herr Finanzminister – ich frage Sie, obwohl Sie jetzt nicht mehr da sind –, ist das Belastungsgefühl jetzt Realität oder nicht?

Herr Finanzminister! Ist es eine tatsächliche Belastung oder nur eine Form von psychischer Erkrankung, wenn PensionsbezieherInnen von Unfallrenten vor 16 Jahren 2 000 S bekommen haben, wenn sie eine Hand im Arbeitsprozess verloren haben, und heute nur mehr 800 S von dieser Republik bekommen? Ist das ein Gefühl der Belastung, das wir erzeugen, oder ist das die Realität, mit der diese Menschen leben müssen?

Ist es ein Gefühl der Realität, oder ist es ein Gefühl einer psychischen Erkrankung, sehr geehrte Damen und Herren, wenn Bildung von behinderten Menschen – sprich: die schulische Integration – wieder als Almosen in diese Republik eingekehrt ist und dafür keine Rechtsgrundlage mehr existiert?

Ich frage Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, die Sie so stolz auf Ihr angebliches Nulldefizit sind und darauf, dass die Wirtschaft gewachsen ist: Sind Sie auch glücklich darüber, dass die Arbeitslosigkeit von behinderten Menschen in Österreich noch nie so hoch war wie jetzt? Sind Sie auch glücklich darüber, dass Sie es sind, die die Mittel aus der Arbeitslosenversicherung abgezogen haben und sich jetzt rühmen, dass es angeblich eine Behinderten-Milliarde gibt, die es gar nicht gibt? (Abg. Dr. Leiner: Wieso sagen Sie, die gibt es nicht?) Bisher wurden Ausbildungsplätze für Behinderte aus Mitteln des AMS finanziert, und jetzt wird das nur umgeschichtet, und Sie nennen das "Behinderten-Milliarde". Im Endeffekt sind es 200 Millionen Schilling, die mehr zur Verfügung stehen, aber dafür haben Sie Unfallrentnern 2,7 Milliarden Schilling weggenommen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wenn Sie dort leben würden, wo ich lebe, nämlich unter den ganz "normalen" – unter Anführungszeichen – Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes (Abg. Loos: Dort leben wir ja auch!), die wissen, was Armut ist, die kennen lernen müssen, was es heißt, arbeitslos zu sein, die mit ihrer Behinderung, ihrer Krankheit, ihrem Alter leben müssen (Abg. Loos: Fahren Sie mit nach Apetlon! Wir leben an der Grenze! Fahren Sie einmal mit! Ganz normale Leute!), wenn Sie das wüssten, wie diese Menschen leben, dann könnten Sie nicht ein Budget machen – eigentlich mehrere Budgets schon! –, mit dem Sie wirklich jene, die es am dringendsten brauchen, am meisten strafen, indem Sie ihnen alles wegnehmen, was irgendwie nur ein Stück ihrer Existenzsicherung hätte sein können. (Beifall bei den Grünen.)

Wären Sie angetreten und hätten gesagt: Wir sind die VertreterInnen der Prinzhorns, der Bartensteins!, dann würde ich Ihnen diesen Vorwurf heute nicht machen, aber Sie sind angetreten und haben gesagt, Sie seien die Vertreter der "kleinen Leute". (Abg. Dr. Leiner: Das stimmt!) Wenn die "kleinen Leute" für Sie die Prinzhorns und die Bartensteins sind, dann haben wir ein anderes Verständnis von "kleinen Leuten". (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Puttinger: Unterste Schublade! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)


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