Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 62. Sitzung / Seite 71

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Zusammenlebens, ein Lebensraum für Kinder, ein Raum für Konfliktbewältigung und auch Konfliktbegegnung – keine Frage.

Unsere Kinder verbringen sehr viel Zeit in der Schule, und ich frage mich: Wie empfinden Kinder diesen Ort Schule? Gehen sie gerne in die Schule? Was braucht es, damit sie gerne in die Schule gehen? Ich frage Sie: Wo fühlt man sich wohler? Fühlt man sich wohler in überfüllten Klassen im Frontalunterricht, weil von der Situation her nichts anderes möglich ist? Oder fühlt man sich wohler – mit "man" sind jetzt die Kinder gemeint – in kleineren Gruppen, wo auch Alternativen möglich sind? Und wo, glauben Sie, wird es zu mehr "Reibereien" kommen, meine Damen und Herren?

Ich bin nämlich der Meinung, Kinder brauchen soziale und räumliche Kontinuität, damit die Begegnung Lehrer/SchülerInnen relativ konfliktarm erfolgen kann. Wenn Konflikte da sind, dann sollte die Möglichkeit bestehen, diese Konflikte in Form von Mediation oder mit anderen Mitteln gemeinsam mit den Kindern zu bewältigen.

Jedes Kind hat seine Geschichte, die es mit in die Schule trägt. Die Kinder kommen nicht und funktionieren! Auch sie kommen mit ihrer Geschichte, so wie wir Erwachsene, wie wir Lehrer zum Beispiel. Da gibt es Scheidungswaisen, da gibt es geschlagene, missbrauchte Kinder, und das äußert sich natürlich manchmal, weil sich diese Kinder dann entsprechend artikulieren. Daher sind wir Lehrerinnen und Lehrer sicherlich nicht nur Wissensvermittler, sondern – das weiß ich – wir sind auch Partner und Partnerinnen für die Kinder.

Es ist uns allen bewusst, welchen Erziehungsauftrag die Schule hat. Die Eltern auf der einen Seite haben, so glaube ich, großes Vertrauen in die Schule: das Vertrauen, dass dort erziehungsmäßig mit ihren Kindern das Beste passiert. Zum anderen glaube ich aber trotzdem, dass die Eltern auch ein bisschen Angst haben, weil sie manchmal damit überfordert sind, was zu Hause passiert – etwa in Bezug auf zu wenig Zeit und so weiter.

Laut Ihrer Aussage, Frau Bundesministerin, geben diese Erziehungsvereinbarungen den Schulen die Möglichkeit – vereinbaren statt anordnen, das wäre schön; ich glaube eher, es ist vereinbaren und anschließend anordnen –, in einem Gremium Gericht zu halten über unliebsame Schülerinnen und Schüler und die Konsequenzen auch sofort anzuordnen.

Der Entschließungsantrag und der schon zur Begutachtung ausgesandte Gesetzentwurf sind meiner Meinung nach eine direkte Folge der kinderfeindlichen Sparmaßnahmen im Bildungsbereich, und zwar nach dem Motto: "Lehrer raus, mehr Disziplin rein!", oder genauer: "Weniger Lehrer für mehr Schüler, dafür mehr Möglichkeiten, sie zu disziplinieren!"

Und es gibt sie ja schon, die Alternativen. Warum wird das in dem Gesetzentwurf nicht genauer definiert? – Es gibt schon die Möglichkeit der Mediation! Es gibt in ganz Österreich wunderbare Projekte. Warum kann man eine Sache nicht positiv formulieren? Warum redet man immer von Rahmen, von Ordnungsrahmen? – Das heißt einrahmen, das heißt einschränken. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Welche Möglichkeiten gibt es? – Auch das jetzige Gesetz lässt schon zu, dass Kinder, wenn sie wirklich ganz große Schwierigkeiten machen, ausgeschlossen werden können. Und glauben Sie mir – mit ausgeschlossenen Kindern arbeite ich seit vielen Jahren –, das sind tief verletzte Kinder. Sie wissen überhaupt nicht mehr, was sie machen sollen, weil sie vielleicht schon von einer Schule zur anderen geschickt worden sind. Jetzt soll die Möglichkeit gegeben sein, sie nicht einmal zu verwarnen, sondern sie sofort auszuschließen.

Ich vermisse auch die Einbeziehung von Expertinnen und Experten in dieses Gremium. Ich selbst habe auch oft um Hilfe rufen müssen und meine Psychagogin oder wen auch immer fragen müssen: Was mache ich mit solchen Kindern? Welche Rahmenbedingungen kann ich für diese Kinder schaffen, damit sie sich in der Gruppe wohl fühlen und sich wieder zur Normalität hin entwickeln können? Warum steht darüber nichts Genaueres im Gesetzentwurf?


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