Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 62. Sitzung / Seite 85

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Während schon die bisherige Politik, die ineffizient und teuer war, eher konservativen Werthaltungen entsprochen hat, so hat sich jetzt bei der ÖVP noch der blaue Einschlag hinzugesellt. Das ist natürlich etwas, was gerade bei einer christlichen Partei nicht nur überrascht, sondern eigentlich entsetzt. Wenn Sie schon sagen, Sie wollen nicht mehr ein primär auf Erwerbsarbeit zentriertes Modell, dann kann man darüber unter bestimmten Umständen diskutieren. Aber die Tatsache, dass dann gerade ausländische Familien, ausländische Frauen eindeutig diskriminiert werden sollen, wo sonst die Erwerbsarbeit kein Kriterium mehr ist, kann letztlich nur mit Werthaltungen, aber nicht sachlich begründet werden. Und die Werthaltung, die dahinter steht, heißt: Ausländerinnen sind Menschen zweiter Klasse. Das ist vehement abzulehnen! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf der Abg. Haller. ) – Bitte zu protokollieren, dass hier auch noch "Blödsinn" in einem Zwischenruf gekommen ist.

Dies offenbart Ihr wahres Gesicht. Ihre Ankündigungen, Sie hätten etwas aus Wien und den Feindbildern gelernt, scheinen ja sehr ernst gemeint zu sein. Aber es spricht für sich selbst.

Meine Damen und Herren! In diesem Bericht heißt es, dass in Bezug auf die Arbeitsmigrantinnen höhere Ehe-, niedrigere Scheidungsquoten und höhere Kinderquoten zu verzeichnen sind. Das heißt, dort, wo das von Ihnen propagierte Familienmodell noch ein wenig besser funktioniert, genau dort setzt die Sanktion an. Das sind doch die einzigen Frauen, die in Zukunft irgendeine Erwerbsarbeit oder das Kriterium des langen Aufenthaltes brauchen. Und wer weiß, wie das in der Praxis funktioniert, dass etwa jungverheiratete Paare jahrelang warten müssen, bis der andere Teil – regelmäßig die Frau – überhaupt eine Genehmigung für einen legalen Aufenthalt im Land bekommt, der weiß, was das für Familien heißt. Das heißt, dass ein gut Teil der Frauen, die hier letztlich arbeiten wollen, leben wollen, mit ihrer Familie sein wollen, Ihrem christlichen Schutz nicht mehr untersteht. Überlegen Sie sich einmal, was das heißt. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Ing. Weinmeier: Der Bericht ist aus 1999, weil Sie es nicht gewusst haben!)

13.49

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Mertel. – Bitte.

13.49

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Drei zentrale Punkte möchte ich voranstellen. Erstens: Dass wir heute über diesen Bericht aus dem Jahre 1999, wie Sie richtig angemerkt haben, diskutieren, über einen Bericht, der einen Umfang von über 1000 Seiten hat, ist auf das beharrliche Drängen von uns von der SPÖ zurückzuführen, denn diese Bundesregierung wollte uns ja mit einer PR-Version für Journalisten abspeisen, mit einer Version, die 140 Seiten umfasst.

Zweitens: Einmal mehr haben Sie von den Koalitionsparteien Expertenmeinungen ignoriert – und dieser Bericht ist ein Expertenbericht –, so, wie Sie das ja auch beim Thema "soziale Treffsicherheit" getan haben, wo ja gleichfalls Experten etwas anderes vorgeschlagen haben als das, was dann letztlich von Ihnen umgesetzt wurde.

Drittens: In diesem Expertenbericht wird die großzügige Familienförderung in Österreich ausdrücklich gelobt.  – Die FPÖ/ÖVP-Regierung betreibt aber seit ihrem Amtsantritt eine Politik gegen die Familien: angefangen von der Reduzierung der Familienzuschläge über die Einführung der Ambulanzgebühren bis zur Erhöhung der Rezeptgebühren! – Wenn Sie sagen, dass das nichts mit Familie zu tun habe, kann ich mich wirklich nur wundern.

Zum Familienbericht selbst: In diesem wird der Frage Vereinbarkeit von Beruf und Familie und Wiedereinstieg in den Beruf breiter Raum gewidmet. Was die Karenzzeit anlangt, so wird in diesem Bericht ausdrücklich vorgeschlagen: kurze Unterbrechungen beziehungsweise Nichtausstieg aus dem Erwerbsleben. Das soll forciert werden. Was aber tut diese Regierung? – Sie verlängert die Karenzzeit, forciert den völligen Ausstieg aus dem Erwerbsleben und ebenso den Ausstieg aus dem System der Arbeitslosenversicherung!

Zur Wiedereinstiegshilfe: Experten empfehlen Schulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen durch das Arbeitsmarktservice. Was aber tut diese Regierung? – Sie streicht das Weiterbildungsgeld nach der Karenzzeit, setzt die Anwartschaft für Werkstudentinnen hinauf und zielt in


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