Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 63. Sitzung / Seite 18

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Auseinandersetzung über den Post-Nizza-Prozess, über die Folgen von Nizza und darüber, wie das nun wirklich umgesetzt werden soll.

Ich bin nicht Ihrer Meinung, Herr Kollege Spindelegger, dass man sich jetzt einmal ein Jahr zurücklehnen und den Schweiß von der Stirn wischen soll, weil man sich in Nizza so angestrengt hat. Der Gipfel von Nizza – seien wir uns ehrlich – wurde insgesamt und nicht zu Unrecht als kein großer Fortschritt, sondern eher als ein Rückschritt im europäischen Prozess bezeichnet. (Abg. Mag. Schweitzer: Nein, aus österreichischer Sicht nicht! Aus österreichischer Sicht ist das ein gewaltiger Fortschritt!) Einige österreichische Zeitungen, die den Bundeskanzler sehr, sehr schätzen und vor allem seine Stellungnahmen berücksichtigen, haben gejubelt, aber sie waren allein auf weiter Flur. (Beifall bei den Grünen.)

Lassen Sie mich aber nun zu dem Thema kommen, das in den öffentlichen Debatten, aber auch im Schlusspapier von Stockholm die Diskussion sehr, sehr stark beherrscht hat, nämlich zur Frage der demographischen Entwicklung und der möglichen Gegenstrategien gegen ein Problem mit den Pensionen, mit der Sicherung des Lebensstandards und des finanziellen Lebens und Überlebens der älteren Generation auf Grund der zu erwartenden demographischen Verschiebungen.

Hier sehe ich schon auch einen Zusammenhang mit Nizza. Wir hatten einen Gipfel der Regierungen, wir haben ein Bekenntnis zur Subsidiarität im Papier, aber wir haben in den zentralen Ankündigungen, meine Damen und Herren, die Intention der Europäischen Union festgeschrieben, mit Maßnahmen, auf die ich im Detail noch eingehen möchte, in die äußerst unterschiedlichen nationalen Pensionssysteme eingreifen zu wollen und mit einer Blankomaßnahme wie der Erhöhung des Pensionsalters – also de facto der längeren Erwerbstätigkeit der Menschen im Alter – zu versuchen, die völlig unterschiedlichen Pensionssysteme in Europa sozusagen über den gleichen Kamm zu scheren. Das aber ist ein völlig falscher Ansatz, denn das Hineinschreiben von Subsidiarität allein wird es nicht bringen. Die unterschiedlichen Sozialsysteme in Europa verlangen unterschiedliche Lösungen, vor allem so lange es nicht einmal in Ansätzen gelingt, zumindest soziale Mindeststandards einzuführen. (Beifall bei den Grünen.)

Ein Thema im Bereich Pensionen, dem sich die Europäische Union sehr wohl zuwenden müsste, es aber offensichtlich nicht tut, ist die Durchlässigkeit der Pensionssysteme für Menschen, die in verschiedenen europäischen Staaten arbeiten. Die Anrechenbarkeit der Pensionszeiten und der Pensionsleistungen in den europäischen Staaten – von den Drittländern einmal ganz zu schweigen – ist derzeit ein Desaster. Mobile Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden heute in ihren Berufskarrieren schwer behindert, und zwar dadurch, dass die gegenseitige Anrechenbarkeit und die Ausgleichssysteme in den Pensionssystemen einfach nicht funktionieren.

Meine Damen und Herren! In diesem Zusammenhang dann einfach zu sagen, dass halt die alten Menschen länger arbeiten sollen, ist der wirklich absolut falsche Weg. (Beifall bei den Grünen.) Aufgabe der Europäischen Union wäre es vielmehr, hier für eine Sicherung der Anrechenbarkeiten, für Gerechtigkeit für mobile Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu sorgen. (Beifall bei den Grünen.)

Zur Frage der Sicherung der Pensionssysteme und der demographischen Entwicklung hat der Herr Bundeskanzler sehr lange und sehr deutlich über seine Vorstellungen des Pensionssystems gesprochen. Er hat aber nicht davon geredet – und das halte ich nicht unbedingt für einen Zufall –, dass mit der gleichen Deutlichkeit die Erhöhung der Frauenerwerbsquote diskutiert und festgeschrieben wird; auch mit Untersuchungen in Bezug auf die Kinderbetreuungen, auch mit Untersuchungen in Bezug auf die Sicherung der Frauen im Alter und Ähnliches mehr.

Meine Damen und Herren! Mit einer hohen Frauenerwerbsquote allein werden Sie kein Pensionssystem in ganz Europa sichern können und werden Sie keine Gerechtigkeit für Frauen in ganz Europa herstellen können. Wenn Sie nach dem Rasenmäherprinzip, das derzeit herrscht, vorgehen, erreichen Sie nur Folgendes: Bei den Frauen wird der Anteil der so genannten Working poor enorm zunehmen, nämlich jener Frauen, die zwar arbeiten – sei es in Teilzeit oder


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