Herr Kollege Jarolim! Ich sehe schon eine neue Qualität in der Justizpolitik: Es hat noch nie so viele Expertenhearings und auch noch nie so intensive Beratungen gegeben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Mag. Stoisits: Ignoranz gegenüber den Expertenmeinungen! – Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Frau Kollegin Stoisits! Es haben sogar die Experten begrüßt, wie effizient wir arbeiten (Abg. Öllinger: Wo denn?), nämlich dass wir die Meinungen der Experten in unsere Gesetzesvorlagen einbauen, dass wir sie sofort umsetzen. Das war beim Jugendgerichtsgesetz so, das war auch beim Suchtmittelgesetz so, dass wir Expertenmeinungen, soweit sie einhellig waren, eingebaut haben. (Abg. Öllinger: Ambulanzgebühren! Unfallrenten! – Abg. Dr. Kostelka: Sie haben genau das Gegenteil getan! Sie suchen sich Ihre Experten aus!) Wenn Experten natürlich keine einhellige Meinung hatten, sondern das Sowohl-als-auch vorgebracht wurde, haben wir uns eben für eine der Expertenmeinungen entschieden. Dass das nicht immer die Ihre war, liegt in der Natur der Sache. (Abg. Dr. Jarolim: Gelacht haben die Experten!)
Es ist ein einziger Vorschlag, Herr Kollege Jarolim, von der SPÖ gekommen, nämlich die Forderung nach einem weisungsfreien Bundesanwalt. Diesem Vorschlag werden wir natürlich nicht näher treten, weil ihn auch die Mehrheit der Experten als nicht sinnvoll erkannt hat, weil die Ministerverantwortlichkeit selbstverständlich eine bessere Kontrolle darstellt.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit auch sagen, dass ich einem europäischen Anwalt, einem europäischen Ankläger nichts abgewinnen kann. Die nationale Strafgesetzgebung ist viel zu verschieden, die Strafrechtstraditionen sind zu differenziert, als dass ein einheitlicher europäischer Ankläger Akzeptanz bei der Bevölkerung finden würde.
Harmonisierung des Strafrechts auf europäischer Ebene: ja, aber kein Über-Bord-Werfen der nationalen Zuständigkeit. Es bereitet uns bereits jetzt große Schwierigkeiten, wenn beispielsweise die EU gravierende Mindeststrafen, beispielsweise für Schlepperei, fordert, weil diese höher wären als bei uns die Mindeststrafen, weil wir nämlich differenziertere Tatbestände kennen.
Ein Strafrecht für juristische Personen kennen wir auch nicht, daher tun wir uns auch schwer, das EU-mäßig umzusetzen. Umgekehrt kennt die EU keine Diversion.
Angesichts der jüngsten Ereignisse in Serbien wird aber sichtbar, dass es sehr wohl von Bedeutung ist, dass Strafrechtsordnungen einen gewissen Grad an Konvergenz haben. Insbesondere für ein gemeinsames Europa wird es wichtig sein, dass sich die Reformländer dem kontinentaleuropäischen Rechtssystem annähern und nicht das amerikanische übernehmen. Beim Aufbau einer entsprechenden Justizverwaltung nach europäischem Standard wird es daher unumgänglich sein, dass Europa und auch wir als Nachbarn uns diesbezüglich einbringen.
Unsere Reformfreudigkeit, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, wird selbstverständlich nicht eingeschränkt, sondern fortgesetzt werden. Insbesondere bei der Strafprozessordnung, bei der Vorverfahrensreform wird es neue, klare Regelungen für die Ermittlungen der Exekutive, der Staatsanwaltschaft und auch des Untersuchungsrichters geben, damit derartige Eigentümlichkeiten wie "Untersuchungsrichter wenden sich an die Medien" unter Umständen unterbunden werden und dieser mediale Druck die Ermittlungen in Zukunft nicht in dem Ausmaß behindern wird. (Abg. Öllinger: Keine Vorverurteilung, Frau Dr. Fekter! Keine Vorverurteilung!)
Es soll dann klare Abgrenzungen geben. Dabei wird natürlich die Staatsanwaltschaft als sehr mächtige Behörde etabliert, bei der ich persönlich mir schon ein weiteres Kontrollinstrument neben der Weisung wünsche, weil es nämlich bei solch einer mächtigen Institution sehr wohl auch zu Missbrauch kommen könnte.
Denkmöglich sind drei Missbrauchsfälle: Einerseits, dass Ermittlungsaufträge nach dem Motto erteilt werden: Wir ermitteln in eine ganz bestimmte Richtung. Die Staatsanwaltschaft erteilt der Exekutive die falschen Ermittlungsaufträge – das wäre denkmöglich –, obwohl die Exekutive schon weiß, dass man die eigentlichen Täter in einer ganz anderen Richtung finden würde.