Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 67. Sitzung / Seite 22

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Sie haben die ZPO-Novelle als Rückschritt in der Justizpolitik kritisiert. Auch damit haben Sie Unrecht. Das Mahnverfahren, das Sie kritisieren, existiert seit vielen, vielen Jahren in Österreich. (Abg. Dr. Fekter: Erfolgreich!) Es gibt in Bezug auf dieses Mahnverfahren keine Beanstandungen. Nennen Sie Richter, nennen Sie Anwälte, die dieses Mahnverfahren, das schon seit vielen Jahren, schon Jahrzehnte existiert, beanstanden! (Abg. Dr. Fekter: Er ist ja Anwalt! Darum kennt er sich ja nicht aus!)

Nennen Sie bei dieser Einrichtung des Zahlungsbefehls, die Sie heute kritisiert haben, einen Missstand! – Es gibt hier keine Überforderung und Überrumpelung von Beklagten. Trotzdem sind wir bereit, bei der Ausweitung dieses sinnvollen Mahnverfahrens die Zustellungsformulare optisch zu verbessern, sodass die Warnung an die Beklagten noch deutlicher wird, als sie es bisher war. Wir haben das schon öffentlich gesagt, und wir stehen zu dieser Modifizierung in der ZPO-Novelle.

Wenn Sie die Eventualmaxime kritisieren, so kritisieren Sie eine Eventualmaxime, die bis in die frühen achtziger Jahre bestanden hat. Diese Eventualmaxime kommt nicht mehr, sie ist nicht geplant! Wir müssen aber den Richtern die Möglichkeit geben, in einem sehr frühen Stadium des Prozesses den Prozessstoff sammeln zu können. Wir müssen ihnen die Möglichkeit geben, die Vertreter der Parteien und die Parteien selbst zu ersuchen, ihre Argumente möglichst früh auf den Tisch zu legen, damit der Prozess möglichst sinnvoll, effizient und ökonomisch gestaltet werden kann.

Zu dieser Form der gemilderten Eventualmaxime stehe ich, allerdings sollen, wenn jemand aus eigenem Verschulden oder gar absichtlich Prozessmittel zurückbehält, um den anderen zu überrumpeln und die Wahrheit zu verschleiern, solche Beweisanträge zurückgewiesen werden können. Das ist das Ziel dieser Reform.

Sie sagen, mit Hilfe der Beschleunigungsmittel gibt es keinen wirklichen Zugang zur Wahrheit. – Das stimmt nicht! Wir kennen in Österreich schon seit Jahrzehnten, wahrscheinlich seit dem Jahr 1870, also seit dem Entstehen der ZPO, die Einrichtungen der Provisorialverfahren.

Was bedeutet das? – Diese Provisorialverfahren werden weitestgehend schriftlich abgewickelt. Sie werden hauptsächlich im Bereich UWG, Medienrecht und Recht der Gegendarstellung angewendet. Dort wird in einer sehr kurzen Frist – meist sind es 14 Tage – eine provisorische Entscheidung gefällt.

Herr Kollege! Was glauben Sie, in welchem Prozentsatz diese provisorische Entscheidung mit der endgültigen, mit der definitiven Entscheidung übereinstimmt? – In zirka 95 Prozent! Das heißt, man kann auch sehr schnell und richtig entscheiden, und ich lasse es mir nicht nehmen, dass ich der schnellen richtigen Entscheidung den Vorzug gebe vor der langsamen richtigen Entscheidung. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Lieber Kollege Dr. Ofner! Ich weiß um die Sorgen der Anwaltschaft, dass man dadurch vielleicht zu kurz kommen könnte, insbesondere als Beklagtenvertreter. Ich verkenne diese Sorge nicht. Ich habe ja auch 27 Jahre Praxis als Rechtsanwalt. Aber denken wir auch an die Kläger, denken wir an diejenigen, die einen Anspruch haben, der zu Recht besteht und zu Unrecht bestritten wird. Meine Sympathie gehört demjenigen, dessen Anspruch zu Unrecht bestritten wird. Und diesem müssen wir sehr schnell zu einem Urteil verhelfen, weil die bewusste Bestreitung eines berechtigten Anspruches für mich gewissermaßen einen asozialen Charakter hat. Ich möchte deshalb dem Kläger helfen, wenn er eindeutig im Recht ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Frau Abgeordnete Stoisits! Wenn Sie die Richter Österreichs als "Bedienstete" des Ressorts bezeichnet haben, haben Sie sich, glaube ich, in der Wortwahl vergriffen. Für mich sind sie nicht Bedienstete des Ressorts, für mich sind sie der Kern unseres Rechtsstaates, wobei deren Unabhängigkeit immer gewahrt und verteidigt werden muss. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Mag. Stoisits. )


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