Letzten Endes ist es nicht entscheidend, ob die freie Berichterstattung durch Freiheitsstrafen oder "nur" durch existenzbedrohende Geldstrafen gefährdet wird. Es geht um den Grundsatz: um Presse- und Meinungsfreiheit in dem vollen Umfang, den die Europäische Menschenrechtskonvention und die Europäische Grundrechtscharta festgelegt haben.
Der Bundeskanzler ist verpflichtet, eben diese Freiheiten unter allen Umständen zu schützen. Er hat daher jeden einzelnen Versuch zu deren Einschränkung im Wirkungsbereich der Bundesregierung zu unterbinden. Da dieser Schutz durch die Vorhaben des Justizministeriums nicht mehr gewährleistet scheint, stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden
Antrag
Der Nationalrat möge beschließen:
Die Bundesregierung wird aufgefordert, im Ministerrat
1. in der Regierungsvorlage zur Reform des strafprozessualen Vorverfahrens keine Bestimmung zu beschließen, die inhaltlich dem von Justizminister Böhmdorfer vorgeschlagenen § 56 StPO entspricht, und diese und andere Bestrebungen des Justizministers zur Einschränkung der Beschuldigtenrechte und der Pressefreiheit abzuwenden;
2. eine Regierungsvorlage zu beschließen, in der § 301 StGB so geändert wird, daß er nicht mehr zur Bedrohung der Presse- und Meinungsäußerungsfreiheit mißbraucht werden kann.
In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung dieses Antrages gem § 74a iVm § 93 Abs 2 GOG verlangt.
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Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Abgeordneter Öllinger zu Wort gemeldet. – Bitte.
15.02
Abgeordneter Karl Öllinger
(Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Wir haben mit einiger Verwunderung und Erstaunen gesehen, dass der Herr Bundeskanzler nicht gewillt ist, zu dieser Debatte im Rahmen eines Dringlichen Antrages an die Bundesregierung zu erscheinen. Wir halten das deshalb für einen Affront gegenüber dem Hohen Hause, weil dieser Antrag sich an die gesamte Bundesregierung richtet und es unserer Meinung nach – und nicht nur unserer Meinung nach – klar ist, dass hier der Herr Bundeskanzler die Verantwortung zu übernehmen hat, und nicht der Herr Staatssekretär.Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Ich erinnere auch daran, dass wir anlässlich eines Dringlichen Antrages der Freiheitlichen Partei an die Bundesregierung eine derartige Debatte bereits hatten und sich der damalige Klubobmann Stadler sehr vehement darauf bezogen hat, dass die Bundesregierung nur durch den Bundeskanzler – und nicht durch einen Staatssekretär – vertreten werden kann. Und ich erinnere auch daran – und deshalb sind wir besonders bestürzt darüber –, dass Herr Bundeskanzler Schüssel im Unterschied zu Bundeskanzler Klima seine Verantwortung in solchen Fällen auch durchaus ernst genommen hat, während sich Herr Bundeskanzler Klima bei Dringlichen Anfragen regelmäßig vertreten hat lassen.
Es handelt sich aber heute nicht um eine Dringliche Anfrage an den Bundeskanzler, sondern es handelt sich um einen Dringlichen Antrag an die ganze Bundesregierung. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Unser Bestreben war und ist, dass in dieser Frage, die für die Republik nicht uninteressant ist, nicht der Herr Staatssekretär, sondern der Herr Bundeskanzler diese Generalkompetenz der Bundesregierung wahrzunehmen hat. Ich ersuche Sie deshalb, Herr Präsident – und Sie wissen, mit welchen Injurien Sie damals von Herrn Klubobmann Stadler bedacht wurden, weil Sie es nur gewagt haben, darauf hinzuweisen, dass die Sache geschäftsordnungs