Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 70. Sitzung / Seite 63

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Wir haben aber vor allem ein Kernproblem zu diskutieren; das halte ich für mehr als zentral. Ich habe vor kurzem eine Umfrage gelesen, in der gefragt wurde, womit sich die Menschen in Europa identifizieren, womit ihre Identifikation am stärksten ist. Ist es die Stadt, ist es das Land, ist es Österreich, ist es Europa? – Es war sehr aufschlussreich, dass die Identifikation mit Europa bis jetzt äußerst schwach ausgeprägt ist. Und bevor dieses Problem der Identifikation nicht bewältigt ist, wird alles, was wir über Institutionenreform und die Probleme der Beitrittswerber diskutieren, letzen Endes an den Herzen und Hirnen der Menschen vorbeigehen. Deswegen müssen wir in dieser ganzen Debatte – da sind vor allem die Freiheitlichen, aber insbesondere auch die ehemalige Europapartei ÖVP mehr als gefordert – endlich einmal in diesen Bereichen deutlich werden. (Beifall bei den Grünen.)

Wann und unter welchen Bedingungen werden sich die Menschen mit der europäischen Ebene identifizieren können? – Dann, wenn sie sich repräsentiert fühlen! Und damit meine ich die Legitimation der europäischen Ebene und die unterbelichtete Rolle des Europäischen Parlaments im derzeitigen Institutionengefüge, aber ich meine vor allem auch die Menschenrechte und die BürgerInnenrechte, die wir EuropäerInnen alle auf der europäischen Ebene gewährleistet sehen müssen, um uns mit dieser Ebene überhaupt identifizieren zu können und zu wollen. Das halte ich für zentral! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Diese Identifikation mit der europäischen Ebene ist mir ein großes Anliegen, und deswegen ist mir die Umsetzung dieser Charta ein besonderes Anliegen. Hier haben wir die Debatte darüber zu führen, wie wir direkt demokratische Instrumente zum Beispiel auf europäischer Ebene einführen können und wie wir vor allem für den einzelnen Bürger/die einzelne Bürgerin den direkten Zugang zum europäischen Recht verbessern können, sodass man sich nicht einem bürokratischen Konglomerat ausgeliefert fühlt, sondern die europäische Ebene auch als Garantie für seine und ihre Rechte begreifen kann – und zwar legitim begreifen kann. Diese direkten Zugänge müssen geschaffen werden.

In diesen Bürgerinnen- und Bürgerrechten ist eines der ältesten Rechte verankert: Das sind die Grund- und Freiheitsrechte, Meinungsfreiheitsrechte. Ich meine, diese muss man im Lichte der europäischen Entwicklungen heute verstärkt diskutieren.

Wir haben gestern einen ersten Ansatz dieser Debatte anlässlich des § 301 über die drohende Einschränkung – oder schon erfolgende Einschränkung – der Freiheit der Meinungsäußerung geführt, was den journalistischen Bereich betrifft. Ich halte das für eine der dramatischsten Entwicklungen, die hier in Österreich, aber auch in Europa stattfinden. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wenn Sie sich an die große Auseinandersetzung vor gar nicht allzu langer Zeit in Prag in Bezug auf die Freiheit der Meinung im Fernsehen erinnern, wenn Sie sich daran erinnern, dass ein Streik durch alle europäischen Medien gehen musste, bevor die Meinungsfreiheit und die Freiheit dieses Mediums zumindest in Ansätzen wieder garantiert werden konnten, wenn Sie die Konzentrationsprozesse der europäischen Medienwelt beobachten und die Einschränkung der Meinungsfreiheit, die damit einhergehen kann, zur Kenntnis nehmen, dann müssen Sie alle bemüht sein – mit uns Grünen bemüht sein –, diese Freiheiten zu sichern, denn sie sind unverzichtbar für eine entwickelte europäische und österreichische Demokratie. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wenn wir in unseren Nachbarstaat Italien schauen und die Medienkonzentration in den Händen eines Herrn Berlusconi erleben, wenn wir uns die Medienkonzerne eines Herrn Murdoch anschauen, muss uns bewusst sein, dass sowohl auf die Garantie der Freiheit der Journalisten auf rechtlicher Ebene als auch auf effiziente Mechanismen gegen diese Konzentrationsprozesse in Zukunft enormer Wert zu legen sein wird.

Zwei Themen, die im Bereich der Osterweiterung beziehungsweise im Bereich der Institutionenreform eine große Rolle spielen werden, möchte ich noch kurz anschneiden. Eines dieser Themen hat Herr Kollege Einem schon angesprochen. Die Verkehrsinfrastruktur und ihre Planung


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