Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 70. Sitzung / Seite 79

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Auswirkungen selbstverständlich das ganze Land betreffen – nur eben in unterschiedlichen Bereichen und Stärken. Man kann über vieles diskutieren und wird dies auch tun müssen, generell wird das aber nichts daran ändern, dass die Weiterentwicklung dieses Europas eigendynamisch fortschreitet, ob manche das wollen oder nicht.

Die Lenkung dieser Weiterentwicklung wird die große Frage sein. In der Größe mit all der Unterschiedlichkeit in Kultur, Religion und Mentalität liegt natürlich auch ein ungeheures Konfliktpotential. Dazu gehört auch, was mir persönlich die größte Sorge bereitet: die nicht enden wollenden kriegerischen Auseinandersetzungen, die klar und deutlich zeigen, dass eine große Zahl von Bürgern dieses Europas weit davon entfernt ist, eigene nationale, meist eher regionale Interessen einem großen Ganzen, nämlich Europa unterzuordnen.

Die berechtigten Ängste und Sorgen der von der Erweiterung mehr betroffenen Arbeitnehmer, Wirtschaftstreibenden, der Bevölkerung einfach diesem Bereich zuzuordnen, wäre aber im höchsten Maße unfair. Und damit, meine Damen und Herren, kehre ich wieder zur Osterweiterung zurück.

Es ist sehr einfach, die Sorgen der betroffenen Menschen zu verstehen. Man muss nur mit ihnen reden. Da sind Visionen von einem großen, weiten, grenzenlosen Europa nicht angebracht, nicht wenn der Betroffene um seinen Arbeitsplatz fürchtet – das hat Frau Lichtenberger heute ein "Spiel" genannt –, nicht wenn er weiß, dass sein Chef mit seinem Betrieb jetzt bereits gegen übermächtige Konkurrenz kämpft, und er nur billige Arbeitskräfte kommen sieht, die seinem Chef mehr Chancen bieten würden. Dem kann man erzählen, was man will, er wird begreiflicherweise das Problem aus seiner höchstpersönlichen Sicht betrachten. Und so, meine Damen und Herren, geht es den meisten betroffenen Menschen. Ein großes, vereintes Europa mit allen Vor- und Nachteilen zu sehen und sich auch wirklich dazu zu bekennen, das ist ein Entwicklungsprozess in den Menschen, der einfach seine Zeit braucht. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich halte es daher auch für höchst unangebracht, die Probleme und Sorgen zu negieren und nur von den großen Chancen und der Bereicherung zu reden. Das ist meines Erachtens sogar kontraproduktiv. Es ist das Gebot der Stunde, schon jetzt Hilfestellung zu leisten in Form von Aufklärung, in Form von Beratung und durch das Bekanntmachen der Menschen mit dem, was auf sie zukommt, mit der Sprache, der Kultur und der Mentalität der neuen Mitgliedstaaten, Aufklärung darüber, was sie zu erwarten haben, mit allen Vor- und Nachteilen. Die Zuckergussversion eines Beitritts haben wir ja selbst erlebt. So soll es diesmal nicht ablaufen!

Beratung benötigen besonders die Betriebe. Sie soll ihnen helfen, sich auf die neue Situation einzustellen. Manche schaffen das ohnehin alleine, vor allem die Jüngeren, aber ältere Gewerbetreibende werden unter Umständen Hilfe brauchen, um vielleicht neue Wege zu gehen.

Dieselbe Situation sehe ich auch auf der anderen Seite der Noch-Grenzen. Ich bin sehr oft im Osten unterwegs. Da ich diesen Menschen sehr offen gegenüberstehe, erlaube ich mir auch klar zu sagen, dass auf Grund der langen Zeit des Kommunismus in vielen Bereichen noch lange nicht von westlichem Standard gesprochen werden kann. Das fängt bei der Einstellung zur Arbeit an und spannt einen weiten Bogen bis zum Umweltbewusstsein. Wie gesagt, ich verbringe viel Zeit dort und kann mir daher ein Urteil erlauben, wie sich auch viele andere hier im Saal ein Bild machen können.

Meine Damen und Herren! Diese Erweiterung bringt tatsächlich neue Chancen, neue Herausforderungen und neue Möglichkeiten. Aber sie bringt auch Sorgen, Ängste und Befürchtungen, und das durchaus zu Recht! Es wird an uns liegen, hüben wie drüben zu informieren, zu helfen, zu beraten, um den Menschen das Miteinander im gemeinsamen Haus Europa zu ermöglichen.

Die jüngsten Aussagen des Herrn Schröder im Hinblick auf die EU zeigen, wie notwendig es ist, darauf zu achten, dass der Föderalismus erhalten bleibt und jeglichem Zentralismus von vornherein Einhalt geboten wird, dass es für uns nur einen Staatenbund geben kann, aber niemals einen Bundesstaat. Bei und über allem Bemühen um dieses Europa muss die Achtung und der


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