Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 70. Sitzung / Seite 82

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Mit dieser Erweiterung werden doch wieder große Visionen großer Europäer wach, die Visionen, ein Europa des Friedens, ein stabiles Europa, ein Europa des Wohlstandes für alle Europäer zu schaffen. Wir müssen uns schon der epochalen Entwicklung bewusst sein, vor der wir stehen und von der wir reden. Wir schaffen den größten politischen Integrationsraum der gesamten Welt mit 500 Millionen Menschen, die darin leben, im Rahmen eines wohl einzigartigen Friedens- und Stabilitätsprojekts. Es gibt zwar viele, viele kleine Kritikpunkte, aber ich meine, das große Ganze muss und soll hier alles überstrahlen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Wir wollen ein Europa, das vielleicht auch beispielgebend für andere Kontinente aus souveränen Staaten besteht, die gemeinsam, friedlich zusammenleben und zusammenarbeiten. Da kann es ab und zu verschiedene Meinungen geben, aber ich denke, das Ziel rechtfertigt auch gewisse Differenzen.

Wenn der Gipfel von Nizza nicht alle in ihn gesetzten Erwartungen erfüllen konnte – auch unser Europa ist ein Ergebnis unser aller Geschichte; der Herr Bundeskanzler hat einmal in einem Interview gesagt, die Schatten der Vergangenheit seien zu groß gewesen –, so ist er doch eine solide Grundlage für die Erweiterung. Und diese Erweiterung ist gerade für Österreich von vitalem Interesse. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Dem österreichischen Verhandlungsteam mit Bundeskanzler Dr. Schüssel und unserer Außenministerin Dr. Ferrero-Waldner ist es jedenfalls gelungen, in allen wesentlichen Punkten die österreichischen Positionen durchzubringen. Es ist weiterhin sichergestellt, dass es einen österreichischen EU-Kommissar gibt. Das ist deswegen so wichtig, damit jeder sagen kann, mein Kommissar. Das bringt Nähe zur Bevölkerung, das ist wesentlich.

Österreich wird auch in Zukunft souveränen Zugriff auf die Wasserressourcen haben. Dem wiederholten Versuch auf EU-Ebene, die österreichische Verfügungsgewalt über die immer wichtiger werdenden Wasserreserven einzuschränken, wurde energisch und mit Erfolg entgegengetreten. Die Wahl der Energieträger – auch das war eine österreichische Forderung – bleibt weiter den Mitgliedstaaten überlassen. Das bedeutet: Es wird auf österreichischem Boden keine Atomkraftwerke geben. (Beifall des Abg. Hornek. ) Und es gibt eine Stimmengewichtung im Rat, die kleinere Mitgliedstaaten besser stellt und dadurch ihren Status als souveräne, als gleichberechtigte Partner sichert.

Jetzt, auf der Grundlage dieses Vertrages, ist es auch wichtig, dass die Erweiterung so schnell wie möglich vonstatten geht. Die künftigen EU-Mitglieder müssen meiner Ansicht nach bereits im Frühstadium des Willensbildungsprozesses über weitere und tiefer gehende Reformen von uns allen eingebunden werden. Bei der Diskussion um die Zukunft der Europäischen Union geht es also zunächst um jene Bereiche, die bereits in Nizza als Themen für weitere Reformen festgelegt wurden, den so genannten Post-Nizza-Prozess.

Dabei geht es erstens um eine effiziente Kompetenzverteilung. Was heißt das? – Es ist unser aller Verantwortung, den Menschen Kompetenz, Subsidiarität und all diese Begriffe zu erklären. Die Aufgaben zwischen der EU, den Mitgliedstaaten und den Regionen müssen flexibel und umfassend formuliert werden, ein Kompetenzkatalog muss festgelegt werden. So können zum Beispiel die Themen Bodennutzung und die Raumordnung wieder in die Nationalstaatlichkeit zurückkehren, dort sind sie besser aufgehoben. Vielleicht gibt es andere Bereiche, bei denen eine Europäisierung umso wichtiger wäre.

Zweitens geht es um die künftige Rolle der nationalen Parlamente, die auf Grund ihrer unmittelbaren Verpflichtung gegenüber der Bevölkerung stärkeres Gewicht im Post-Nizza-Prozess erhalten müssen. Wir alle müssen also stärker eingebunden werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Drittens geht es um die Übernahme der bisher nur politisch verbindlichen Grundrechts-Charta der EU. Ein Verfassungsvertrag, den wir uns wünschen, kann auf dieser ersten Grundlage langsam wachsen und reifen.


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