Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 72. Sitzung / Seite 39

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die Qualität unseres Familienbegriffes aus. Das ist im Zentrum unserer Politik, wo es Solidarität, Anteilnahme und Schutz gibt. (Beifall bei der SPÖ.)

Das gilt in gleicher Weise für die traditionellen Formen der Familie wie auch für andere Formen des Zusammenlebens, und das gilt für uns ganz klar und natürlich auch für gleichgeschlechtliche Partnerschaften, meine Damen und Herren!

Sie diskriminieren Kinder, wenn Sie sie immer wieder unter dem Gesichtspunkt – auch heute ist das wieder geschehen – von Geburtenraten diskutieren. Familienpolitik hat nämlich nichts mit Bevölkerungspolitik zu tun. Familienpolitik ist etwas anderes, als Geburtenstatistiken zu interpretieren. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Kinder sind nach unserer Überzeugung Bürgerinnen und Bürger mit eigenständigen Rechten, nämlich mit dem Recht auf Zuwendung, Betreuung innerhalb und außerhalb der Familie, mit dem Recht auf beste Ausbildung, das Sie gerade jetzt in Frage stellen, dem Recht, so zu leben und sich so zu verhalten, wie sie es auch wollen. Vor allem die Förderung von Fähigkeiten, von Kreativität, von Kritikfähigkeit und Selbstbewusstsein ist wichtig, denn das brauchen die jungen Menschen heute für eine gute Zukunft von morgen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie brauchen das Recht auf Schutz vor Gewalt. Es ist auch von beiden, vom Herrn Bundeskanzler wie von der Frau Vizekanzlerin, das Thema Gewalt angeschnitten worden. Aber Sie sehen immer nur ein ganz kleines Spektrum von Gewalt, das an Kindern verübt wird – übrigens auch an Frauen. Denn die Mehrzahl der Gewaltdelikte – das ist bedauerlich – geschieht in den österreichischen Familien: neun von zehn Fällen. Aus diesem Grund haben wir dort anzusetzen. Da nützen Ihre Vorschläge nur sehr marginal, den Kindern wie den Frauen den entsprechenden Schutz zu geben.

Es braucht gute Gesetze, und es braucht Hilfen. Ich bedauere schon sehr, dass die von mir ins Leben gerufene Helpline zum Schutz vor Gewalt – 0800 222 555 – nur mehr ein sehr karges Dasein fristet, vor allem weil die Frauen in dieser Einrichtung kein Geld mehr haben, diese Nummer aktiv zu bewerben. – Das ist offensichtlich Ihre Familienpolitik, Herr Bundeskanzler, Frau Vizekanzlerin! (Beifall bei der SPÖ.)

Familien existieren für uns auch dann, wenn sie nicht mit Kindern leben. Dass Sie Ehepaare, die 40 Jahre, 50 Jahre zusammen gelebt haben und noch zusammen leben, aber keine Kinder hatten und haben, damit bestrafen, dass Sie sie einfach aus der beitragsfreien Mitversicherung bei der Krankenversicherung eliminieren, zeugt von blankem Zynismus.

Bei mir war ein Mann – ich nenne Ihnen den Fall, lachen Sie ruhig weiter, vielleicht sitzt er vor dem Fernseher und schaut zu! –, ein alter Mann. Er war im Krieg und kam mit einer schweren Kriegsverletzung nach Hause, die ihm die Zeugungsunfähigkeit beschert hat. Er hat mir unter Tränen erzählt, wie glücklich er war, dass er eine Frau gefunden hat, die ihn trotz seines Mangels und seines Defizits geheiratet hat. Er ist zu mir gekommen und hat gesagt: Jetzt komme ich mir vor, als ob ich einen Stern tragen müsste, weil ich ein Mensch zweiter Ordnung bin (heftige Zwischenrufe bei den Freiheitlichen), weil ich plötzlich nach all den Erschwernissen, die ich durchgemacht habe, jetzt auch noch zur Kasse gebeten werde. – Das ist Ihre Familienpolitik! Das ist das, was die Menschen täglich zu spüren bekommen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich kann Ihnen nur eines versichern: Dieser Mann, wie viele andere auch, und die betroffenen Frauen werden auch dort, wo es um die beitragsfreie Mitversicherung geht, alle Unterstützung von uns, der Opposition, der SPÖ, erhalten, damit sie wieder zu ihrem Recht kommen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Dr. Pumberger. )

Eltern, Mütter wollen beides, sie wollen Kind und Job. Sie wollen nicht die so genannte Wahlfreiheit: entweder – oder. Sie wollen das verbinden. (Abg. Dr. Stummvoll: Das wissen Sie!) – Das wissen wir, ja, das wissen wir, da brauchen wir nicht viel zu phantasieren, Herr Abgeordneter! (Abg. Dr. Stummvoll: Das ist Arroganz! Das ist Arroganz!)


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