Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 72. Sitzung / Seite 38

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zum Ausdruck gekommen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Ich befürchte, Sie haben das selbst aufgeschrieben! Ich habe den Eindruck, dass Sie die Rede selbst aufgeschrieben haben!)

Wie sonst lässt es sich erklären – die Frau Vizekanzlerin hat es sogar angeschnitten –, dass Sie durch die gemeinsame Obsorge wieder dem einen Teil, meistens dem Mann, das Sagen nach der Scheidung überantworten und dem anderen Teil, meistens der Frau, die Arbeit mit den Kindern – und das auf Kosten und zu Lasten der Kinder. (Abg. Haller: Das ist doch nicht wahr! – Abg. Dr. Fekter: Sie wollen den Kindern die Väter wegnehmen!) Das haben uns alle namhaften Expertinnen und Experten bestätigt. Das, was Mitte der siebziger Jahre mit gutem Grund aus unseren Gesetzeswerken eliminiert wurde, haben Sie wieder aus der Mottenkiste geholt, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Fekter: Das ist in den achtziger Jahren in allen Nachbarländern eingeführt worden!)

Sie fördern jede Freizügigkeit der Wirtschaft und vergessen dabei ganz einfach auf die Familien. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Abg. Achatz: Blanker Unsinn!) Erst gestern haben Sie hier in diesem Hohen Haus den Beweis dafür erbracht. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Wie war denn Ihr Verhalten in Sachen Nachtarbeit? Glauben Sie allen Ernstes, dass Nachtarbeit familienfreundlich sein wird, wenn Sie sie für Väter wie für Mütter entsprechend liberalisieren und öffnen und nichts daran setzen, hier Schutzmaßnahmen einzuführen? (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Sie müssen den österreichischen Familien auch einmal erklären, was sie von dem geplanten Ladenöffnungszeitengesetz zu halten haben. Einkaufen rund um die Uhr – wo bleibt da Ihre Familienfreundlichkeit? Wo schlägt da Ihr familienfreundliches Herz, frage ich Sie.

Ihr Familienbild hat sich offensichtlich seit dem 19. Jahrhundert nicht geändert (Zwischenruf des Abg. Böhacker ): Der Mann ist der Chef der Familie, die Ehefrau fragt den Mann, ob sie berufstätig sein kann oder soll, und die Frauen haben selbstverständlich für den Haushalt und die Kinder rund um die Uhr da zu sein. Familienarbeit ist offensichtlich – die Frau Vizekanzlerin hat es gerade bestätigt – ausschließlich Frauensache. Die Männer, die Väter werden dabei nicht erwähnt – sehr bezeichnend. (Abg. Dr. Khol: Salto rückwärts ins 19. Jahrhundert! – Abg. Neudeck: Also Sie müssen frustriert sein!)

Ich zitiere aus Ihren Parteiprogrammen, weil ich damit gerechnet habe, dass es hier Widerspruch gibt. Das ÖVP-Frauenprogramm sagt: Die Stärke von bürgerlichen Frauen liegt in der Vielseitigkeit und der Entscheidungsfreiheit, eine berufliche Karriere in Angriff zu nehmen, einen Haushalt und Familie zu gründen, die Betreuungskette für Kinder und Eltern aufrechtzuerhalten und eine eigene Lebenskarriere zu machen. (Abg. Dr. Puttinger: Spitze! Jawohl! – Abg. Dr. Khol: Super! Sehr gut!) – "Super", dieses Programm! Da werden sich die österreichischen Familien "freuen"! (Beifall bei der SPÖ und demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Freiheitlichen formulieren nicht besser: Wir müssen die Frauen ermutigen, das zu tun, was ihr ureigenstes Anliegen ist, nämlich ihr Kind groß und tüchtig werden zu sehen und sich ihm zu widmen. (Abg. Neudeck: Das sind die einzigen zwei guten Passagen in Ihrer Rede!)  – Auch hier hat Jörg Haider auf die Väter vergessen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Fekter: "Furchtbar"! – Abg. Mag. Kukacka: So etwas "Unanständiges"! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wir, meine Damen und Herren, haben ein anderes Bild von Familie. Für uns ist Familie das engste persönliche Band, das Menschen haben können. Für uns ist Familie das Zuhause, in dem Menschen offen sein können, in dem es ihnen auch einmal schlecht gehen kann und darf, in dem sie Offenheit und Ehrlichkeit leben können. Wir schreiben den Menschen nicht vor, wer für sie Familie ist. (Abg. Haller: Nein! Nein!) Wir überlassen den Menschen diese Entscheidung. (Beifall bei der SPÖ.)

Natürlich sind das Eltern und ihre Kinder und in der überwiegenden Anzahl natürlich auch Kinder und ihre alt gewordenen Eltern. Wir verstehen aber unter Familie jede Form des Zusammenlebens in partnerschaftlicher und demokratischer Form. (Abg. Kiss: Die Sozialdemokratie als "Hort der Offenheit"! Genau so ist es!) Diese Demokratie und diese Partnerschaft machen


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