Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 72. Sitzung / Seite 126

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Alle Alternativen, die in der Zwischenzeit diskutiert wurden, gehen im Grunde genommen von falschen Überlegungen aus – Alternativen, die darauf hinauslaufen, die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen zu minimieren, indem man auf ein Schutzalter von 16 Jahren abstellt oder indem man unter Umständen für Männer und Frauen gleichermaßen ein Schutzalter von 16 Jahren einführt.

Meine Damen und Herren, nehmen Sie zur Kenntnis: Homosexualität ist keine Krankheit, sondern eine Entscheidung für eine sexuelle Ausübung, und sie ist darüber hinaus auch sicherlich nicht durch das Gesetz regelbar. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ, vor allem aber von der Volkspartei! Sie haben jetzt einen Sommer lang Zeit, zu überlegen. Respektieren Sie, bitte, bei diesen Überlegungen, dass es uns nicht darum geht, den Personenkreis der Jugendlichen in sexueller Hinsicht strafrechtlich ohne Schutz zu lassen. Ganz im Gegenteil: Es gibt den § 201, Vergewaltigung, den § 202, Nötigung, den § 205 StGB, Schändung, den § 208, sittliche Gefährdung von Jugendlichen, und den § 212, Missbrauch von Autoritätsverhältnissen. Das ist Schutz genug, wir brauchen den antiquierten § 209 StGB nicht mehr! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Für meine Fraktion ist diese Regelung der erste Schritt für eine Gleichbehandlung von nicht heterosexuell orientierten Personen. Und das kann nicht Halt machen bei der Aufhebung des § 209, sondern es muss weiter gehen, hin zur Anerkennung von Menschen mit gleichen Rechten. Das wird Konsequenzen nicht nur im Strafrecht, sondern auch im Zivilrecht, im Mietrecht, im Familienrecht, im Erbrecht und bei der Diskriminierung am Arbeitsplatz nach sich ziehen müssen.

Meine Damen und Herren von der ÖVP, aber auch jene von der FPÖ! Nehmen Sie die Entwicklung in Europa zur Kenntnis! Handeln Sie, bevor der Verfassungsgerichtshof Sie dazu zwingt! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Aufgrund der Entscheidung dieses Hauses, meine Damen und Herren, ist dies meine letzte Rede. Ich werde mit 1. Juli meine Funktion als Volksanwalt antreten, und ich habe, weil es mir ein Anliegen ist, meine letzte Rede bewusst zu einem Thema der Grundrechte gewählt. Für mich ist es nicht ein Beenden der politischen Tätigkeit, sondern, wenn Sie so wollen, eine Fortsetzung, aber auch ein Wechsel im Platz, von dem aus ich das tue.

Ich habe vor 28 Jahren auf einer der Bänke da hinten als Klubsekretär begonnen, und in den letzten 28 Jahren waren lediglich sechs Monate meiner politischen, meiner beruflichen Tätigkeit nicht unmittelbar mit diesem Hause verbunden. Ich habe viele Abschiedsreden gehört, und ich bin davon überzeugt, dass solche Reden nicht dazu missbraucht werden sollten, die Nachfolger mit Ratschlägen zu überhäufen. Aber lassen Sie mich zwei Bemerkungen machen, meine Damen und Herren:

Die erste Bemerkung ist, dass harte politische Auseinandersetzungen auch möglich sind, ohne einen Ordnungsruf zu erhalten. Die Herren Präsidenten haben elf Jahre dazu Gelegenheit gehabt, sie haben mir gegenüber kein einziges Mal zu diesem Mittel gegriffen.

Zweitens: Ich habe Politik immer als ein Ringen um einen Kompromiss verstanden. Dazu gehören seitens der Regierungsparteien Engagement, Flexibilität, aber auch Geduld, und es gehören seitens der Opposition Verantwortung, Kompromiss- und Einlassungsbereitschaft dazu.

Meine Damen und Herren! Ich konstatiere, dass wir eine neue Streitkultur, eine Kultur der politischen Auseinandersetzung in Österreich und auch in diesem Hohen Hause brauchen. Wir sollten öfter und wir sollten unmittelbar Argumente austauschen. Aber lassen Sie uns in diesem Zusammenhang die alten Tugenden der Zusammenarbeit und des Kompromisses nicht übersehen. Ein Kompromiss ist für sich nichts Gutes, aber Politik ist ohne ihn nicht möglich. (Lang anhaltender allgemeiner Beifall. – Die Abgeordneten der SPÖ und der Grünen haben sich von ihren Plätzen erhoben und applaudieren stehend weiter.)

16.31


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