Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 74. Sitzung / Seite 224

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Ich habe auch – zuletzt, glaube ich, im Budgetausschuss – allen Klubs, ausdrücklich auch der Sozialdemokratischen Partei und den Grünen, angeboten, dass wir mit unserem Referat über die Bezirksgerichtsreform in die Klubs kommen. Ich kann nichts dafür, wenn diese Angebote nicht aufgegriffen werden. Ich muss deshalb diese Gelegenheit ergreifen, Ihnen diese Reform in ihren Grundzügen noch einmal zur Kenntnis zu bringen. Ich muss auch wiederholen, was ich in der Öffentlichkeit immer wieder unüberhörbar gesagt habe, nämlich dass wir das Einvernehmen mit den Landesregierungen suchen und finden werden. Es wird keine Reform geben, die nicht einvernehmlich ist. Auch das haben Sie hier und heute bedauerlicherweise verschwiegen. (Abg. Mag. Maier: Ich habe keine Zeit gehabt!)

Sie haben auch nicht gesagt, dass unsere Gerichtsorganisation aus dem Jahre 1848 stammt, seit diesem Jahr nicht oder kaum überarbeitet wurde, dass sie im letzten Jahrhundert kaum kosmetische Eingriffe erlebt hat, wir von den 192 Bezirksgerichten zwei Drittel nicht einmal mit 2,9 Richtern auslasten, wir mit unserer Organisation in Europa Schlusslicht sind und dass in Österreich pro Bezirksgericht eine Population von zirka 32 000 im ländlichen Raum besteht, hingegen in Deutschland im Durchschnitt 119 000 Einwohner – und in Bayern sogar 169 000 – auf ein Amtsgericht entfallen. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Sie müssen zur Kenntnis nehmen, Herr Abgeordneter Mag. Maier – und ich bitte auch Sie, sehr geehrte Damen des Hohes Hauses, mir in diesem Sinne Ihre Aufmerksamkeit zu schenken –, dass diese Struktur der Bezirksgerichte nicht mehr aufrechtzuerhalten ist. In Mariazell versorgt sie eine Bevölkerung von 4 800 Menschen. Man kann diese Organisationsstruktur nicht mehr gutheißen, weil wir auch im Bereich der Justiz – und gerade im Bereich der Gerichte – den Weg der Spezialisierung gehen müssen.

Unser Konsensangebot lautet bekanntlich – wenn Sie in der Öffentlichkeit zugehört haben, Herr Abgeordneter Mag. Maier –, dass wir zumindest Gerichtsgrößen haben wollen, die zwei Richter auslasten, weil wir bei den Bezirksgerichten 40 Geschäftszweige versorgen müssen, ein Richter allein das nicht mehr kann und eine Spezialisierung mit weniger als zwei Richtern logischerweise nicht möglich ist.

Die Oberlandesgerichte haben Sie – weil Sie auch hier weggehört haben – zu Unrecht in Misskredit gebracht. Die Oberlandesgerichte erfüllen im Justizverwaltungsbereich die Funktion von Verwaltungsverbünden. Sie sind unschätzbare Verwaltungsträger von höchster Effizienz. Die Oberlandesgerichte aufzulösen, wäre ein Rückschritt. Das ist betriebswirtschaftlich anerkannt und wurde von mir auch mehrfach in der Öffentlichkeit gesagt.

Ich kann nichts dafür, Herr Abgeordneter, wenn Sie das nicht gehört haben. Ich glaube, dass Sie hier in allen Punkten Unrecht haben und dass Sie in der falschen Richtung mobilisieren, denn eine moderne Gerichtsorganisation ist notwendig, um die neuen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts bewältigen zu können.

Ich werde rechtzeitig, ausführlich, klar und in der gebotenen Eindeutigkeit zu den Vorfällen in den Justizanstalten Stellung nehmen. Aber da insbesondere diejenigen, die das kritisiert haben, jetzt nicht aufpassen, sehe ich bei ihnen keinen gesteigerten Bedarf, diese Information hier zu bekommen. (Abg. Dr. Petrovic: Uns interessiert das sehr!)

Ich kann Ihnen aber sagen, dass diese Vorfälle selbstverständlich untersucht werden, dass auch eine Untersuchung anhängig ist, dass ich aber in der jetzigen Stunde keine Möglichkeit sehe, Details zu veröffentlichen, die noch in Prüfung sind. Es sind bereits staatsanwaltschaftliche Anträge gestellt worden. Ein gerichtsmedizinisches Gutachten wurde in Auftrag gegeben; dieses liegt jedoch in der schriftlichen Ausfertigung noch nicht vor.

Ich kann Ihnen aber versichern, dass es meines Erachtens nicht richtig ist, jetzt Zeitungsberichten zu vertrauen und die Stimmung hochzuschaukeln, sondern dass es im Interesse der Sache angebracht wäre, noch einige Tage, vielleicht auch einige Tage mehr, zuzuwarten, damit Sie dann eine sachliche Grundlage für Ihre mögliche Kritik haben. Jetzt schon auf Grund von Zeitungsberichten im Schutze der Immunität Äußerungen zu tätigen, die sicherlich sehr drama


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