Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 75. Sitzung / Seite 70

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Sie sprechen davon, dass der ORF entpolitisiert wird. Ich bin zu lange in der Politik und zu ehrlich, um nicht zuzugeben, dass es natürlich immer politische Interventionen – auch von meiner Partei – gegeben hat. Nur die Art und Weise hat sich geändert. Unter dem Titel "Entpolitisierung" führen Sie nun die stärkste Politisierung ein, die es je im ORF gegeben hat.

Sie haben Bundeskanzler Kreisky erwähnt. Eine Partei mit 27 Prozent schafft sich nun weit mehr politischen Einfluss im ORF und in seinen Gremien, als es zum Beispiel Kreisky mit einer Partei mit mehr als 50 Prozent vor Jahrzehnten getan hat und tun wollte. Die kleinste Partei, die je den Bundeskanzler stellte, hat den stärksten politischen Einfluss auf den ORF, den es je gegeben hat. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Dr. Puttinger. )

Wenn Sie davon sprechen, dass die Personen, die Sie als neue Unabhängige entsenden werden, sich nicht am politischen Gängelband führen lassen, dann höre ich die Botschaft, aber ich glaube sie Ihnen nicht. Erst vor wenigen Wochen gab es im derzeitigen ORF die Abstimmung darüber, ob der unpolitische, keiner Partei angehörende Chef der Prüfungskommission – ein Steuerberater – ausgetauscht werden und durch einen FPÖ-Vertrauensmann ersetzt werden soll.

Was glauben Sie, wie sich all die so genannten Unabhängigen verhalten haben? – Sie haben alle dafür gestimmt, dass dieser FPÖ-Vertrauensmann hineinkommt und der unabhängige Wirtschaftsprüfer entfernt wird. Ihre "Entpolitisierung" heißt, unter dem Deckmantel der Entpolitisierung ein Unternehmen stärker zu politisieren und mehr Einfluss zu gewinnen, als es je der Fall war. (Beifall bei der SPÖ.)

Ähnlich verhält es sich mit dem Schlagwort "Privatisierung". Aber ich möchte vorher noch eines sagen, weil Sie unseren Button angesprochen haben. (Der Redner stellt einen kreisrunden Button mit der Aufschrift "SOS Demokratie" auf das Rednerpult.)

Meine Damen und Herren! Westenthaler hat Angriffe auf Gerhard Weis gestartet. Er sagt, etwas sei nicht beschlossen worden. Ich habe hier die Seiten aus verschiedenen Protokollen der letzten zweieinhalb Jahre mitgebracht, in denen immer darüber berichtet wurde. (Der Redner hält verschiedene Schriftstücke in die Höhe.)

Angesichts der Interventionen, angesichts dieser Absichten und angesichts der Tatsache, dass Sie es ablehnen, dass die Hörer und Seher befragt werden, ist es richtig, ist es leider notwendig, dass "SOS" gerufen wird, denn im ORF steht auch die österreichische Demokratie auf dem Spiel. Und wir werden nicht bei den Dingen mitmachen, die Sie hier vorhaben! (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Sie sprechen davon, dass es notwendig ist zu privatisieren. – Ja, es ist notwendig. Aber warum wird so privatisiert, dass es nur einen privaten Anbieter geben kann? In Österreich ist es so, dass es quasi drei Senderketten gibt: zwei hat der ORF, eine dritte ist frei. Diese kann man einem Privaten geben, oder man kann rasch digitalisieren. Dann werden aus dieser einen terrestrischen Kette vier digitale terrestrische Ketten. Wenn man das rasch macht, kann der ORF digitale Kanäle betreiben und gleichzeitig können mehr Private in Österreich Fernsehen machen als nach Ihrem Vorschlag, wonach nur einer zum Zug kommen kann. Es könnte mehr privates Fernsehen in Österreich geben. Das verhindern Sie, Sie führen diese Digitalisierung nicht durch, Sie geben diesen Kanal bloß einem und verhindern damit auch, dass es zu einem technischen Aufschwung kommt, zu mehr Diensten, zu mehr nutzbaren Diensten für die Hörer und Seher in Österreich.

Das ist eine falsche Entwicklung, das ist eine falsche und schlechte Privatisierung. Wir sagen Ihnen: Auch da agieren Sie gegen das Unternehmen, gegen die Privaten und gegen die Menschen dieses Landes. (Beifall bei der SPÖ.)

Nächster Punkt. Sie appellieren an uns, dass wir bei den Gesetzen, die einer Zweidrittelmehrheit bedürfen, mitstimmen, um Ihnen zu helfen, den ORF unabhängig zu machen. Würde der ORF dadurch tatsächlich unabhängig werden, dann wären wir ja dafür. Was Sie jedoch wollen und was Sie beabsichtigen, ist Folgendes: Sie bestellen laut Gesetz die Gremien mit einfacher


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