Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 76. Sitzung / Seite 152

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Also: Patientenchartas gut, aber nicht ohne Wermutstropfen. – So steht da etwa auch drinnen, dass ein Sterben in Würde zu garantieren ist, der Kontakt mit den Angehörigen zu ermöglichen ist. – Ich frage Sie nochmals: Ist das Sterben in Würde garantiert? Ist in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern der Gemeinden und der Länder – und des Bundes, sage ich jetzt einmal dazu – der Kontakt mit Angehörigen bei Sterbenden garantiert? Gibt es dort Orte oder Räumlichkeiten des Abschiednehmens, oder gibt es sie nicht? – Es gibt sie zu einem großen Teil nicht! Österreich hat 70 Hospizbetten – ich rede jetzt von Österreich und nicht von Oberösterreich. Allein im größten Innsbrucker Pflegeheim sterben pro Jahr 100 alte Menschen – und wir haben derzeit 70 Hospizbetten! Wo ist da etwas garantiert? Geben Sie mir eine Antwort auf diese Frage, wenn ich schon keine Kritik anbringen darf!

Es steht auch drinnen – oder es soll drinnen stehen, steht in einzelnen Länderchartas aber nicht drinnen –, dass Eltern mit ihren Kindern aufgenommen werden können oder, besser gesagt, umgekehrt: dass Kinder das Recht auf Begleitpersonen haben und dass auch Sterbende das Recht haben, dass Begleitpersonen mit ihnen aufgenommen werden. – Das ist nur in einem Bruchteil der Fälle möglich!

Ein weiterer Punkt: Die verschuldensunabhängige Medizinhaftung ist in keiner Charta einheitlich geregelt.

Ich sage Ihnen jetzt auch als Grüner: Wenn in Österreich zuerst ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz erreicht wird, bevor bundeseinheitliche Heimgesetze und Rechte von Patienten durchgesetzt werden können, geniere ich mich! Das muss ich wirklich sagen: Da geniere ich mich! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Und noch etwas: Als wir die große Enquete zum Thema Sterbebegleitung abgeführt haben, da wurde über Holland – beziehungsweise über die Niederlande, korrekterweise – gesprochen, und niemand wollte das eins zu eins übernehmen. Aber haben Sie davon gesprochen, dass in Österreich 65 000 alte Menschen in Alten- und Pflegeheimen leben, davon über 30 000 pflegebedürftig? Haben Sie gewusst, dass 13 Prozent dieser Patienten einen Monat nach Aufnahme in Pflegeheimen bereits sterben, dass 33 Prozent in den ersten drei Monaten sterben und 46 Prozent im Laufe des ersten Halbjahres? – Das ist nicht deshalb so, weil die Vorgangsweise der Niederlande praktiziert würde, sondern das liegt daran, dass sich die Leute einsam fühlen, weil man dort so an Personal spart, dass kaum jemand mit ihnen reden kann; dass sie ihre Möbel nicht mitnehmen dürfen, weil im Pflegeheimvertrag meistens nichts geregelt ist – außer das, was Patientinnen und Patienten und ihre Angehörigen zahlen müssen.

Wenn Sie also sagen, das ist alles so gut, jetzt haben wir die Patientencharta, und damit ist alles erledigt, dann haben Sie sich geirrt! Trotzdem ist es ein Schritt in die Zukunft. Aber es werden noch mindestens zehn weitere folgen müssen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.47

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Wochesländer. Die Uhr ist wunschgemäß auf 3 Minuten eingestellt. – Bitte.

17.47

Abgeordnete Jutta Wochesländer (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Herr Dr. Grünewald, natürlich bin ich in vielen Punkten, die Sie, gerade als Mediziner, angesprochen haben, mit Ihnen einer Meinung. Das, was Sie zuletzt gesagt haben, ist auch mir aufgefallen: dass bei alten Menschen, wenn sie in Pflegeheimen untergebracht werden, sich oft nach einem Monat oder zwei Monaten der Tod einstellt.

Aber da kommt eines schon auch noch dazu, und zwar die mitmenschliche Vereinsamung (Abg. Dr. Grünewald: Ja!), denn ich kann mir nicht vorstellen, dass Pfleger einen Menschen ersetzen können, mit dem man wirklich seelisch verbunden ist. Ich glaube, da ist die Politik ein bisschen zu schwach, um das zu ergänzen. Das muss früher beginnen!


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