Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 80. Sitzung / Seite 51

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Darin sehe ich aber eindeutige Formulierungen. Der Kommissar sagt nämlich: Ich sehe angesichts des Standes der Beitrittsverhandlungen und der Haltung anderer Mitgliedstaaten keinen Spielraum mehr, den Abschluss des Melker Prozesses weiter hintanzustellen.

Herr Bundeskanzler, unabhängig vom Ton dieses Briefes, den ich mir als Regierungschef ja gar nicht gefallen lassen würde, auch nicht von einem EU-Kommissar (Abg. Dr. Khol: Von einem sozialistischen!), muss ich einmal hinzufügen, können Sie jetzt nicht bloß Haltung einnehmen und sagen: Jawohl, Herr Kommissar, jetzt ist der Stand der Technik bei Temelín erreicht, jetzt kann Temelín in Betrieb gehen, jetzt können die Vereinbarungen geschlossen werden.

Was wir erwarten, ist ein klarer Bericht von Ihnen über die offenen Punkte, über die laufenden Störfälle, über die laufenden Verhandlungen, und nicht, dass Sie bloß das Ansinnen des Kommissars in diesem Brief vollziehen, der da in einer anderen Formulierung meint: Das Thema ist inzwischen sowohl sachlich als auch politisch für den Abschluss reif. – Das ist fast wie ein Diktat.

Jetzt komme ich drauf, warum Sie nicht interessiert daran waren, dass dieser Brief so schnell in die Öffentlichkeit kommt. Keine Rede in dem Brief von der Nulloption, nämlich auch Bestandteil des Melker Prozesses, keine Rede vom Ausstieg aus der Atomenergie, worüber der Diskussionsprozess in den Mitgliedsländern der Europäischen Union jetzt langsam beginnt.

Statt dass Sie hier zwei Teams bilden – ein Team: Klestil, Scheibner und Bartenstein und das andere Team: Schüssel, Ferrero, die einen Wettkampf in den Auslandsreisen veranstalten –, wäre es besser gewesen, Sie hätten die einzelnen Mitgliedsländer der Europäischen Union besucht und dafür geworben, dass endlich ein Ausstieg aus der Atomenergie stattfindet. Das ist ein wirklich aktuelles Problem. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.) Und Ausstieg vor allem auch im Lichte des 11. September und der neuen Formen des Terrors.

Jetzt stellt sich natürlich heraus, dass Atomkraftwerke ein noch größeres Risiko sind, als sie es ohnehin schon vorher waren. Und ich sage noch einmal: Ich finde es mutig, was Kommissar Verheugen in diesem Brief schreibt angesichts dessen, dass ein Störfall den anderen in Temelín jagt. Aber es geht hier nicht nur um Temelín, es geht um alle Atomkraftwerke jener Beitrittsländer, die welche haben, auch um die Atomkraftwerke, die noch die restlichen fünf Mitgliedsländer der Europäischen Union haben. Und da sind Sie säumig. Wir wollen endlich einen klaren Bericht und nicht, dass Sie uns erst auf Drängen den Inhalt des Briefes von Kommissar Verheugen mitteilen. (Abg. Wenitsch: Zwentendorf!)

Wir waren damals bei Zwentendorf an erster Stelle und haben verhindert, dass dieses Kernkraftwerk in Betrieb genommen wird. (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Wir haben damals mitgekämpft, dass Österreich 1978 den Weg gegen die Atomenergie gegangen ist. Warum Sie jetzt lachen, verstehe ich überhaupt nicht. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Schwarzenberger: Das wäre Geschichtsfälschung! – Abg. Ing. Westenthaler: Zwentendorf lässt grüßen!)

Aber wir kommen zu einem weiteren Punkt: Es gibt jetzt das gemeinsame Antiterrorpaket, das die FPÖ bezeichnenderweise mit der ÖVP beschlossen hat, die berühmten 13 Punkte. – Ich würde sagen, es ist ein Antiterror-Placebo, und ich werde Ihnen das auch erklären.

Interessant ist, dass die wirklichen Sicherheitsfragen die letzten Ihrer 13 Punkte sind. Europaweiter Ausstieg aus der Atomkraft steht als letzter Punkt. Da hoppeln Sie nämlich hinterher, das haben nämlich wir Sozialdemokraten schon längst gefordert. Evaluierung und Ausbau des zivilen Katastrophenschutzes ist der vorletzte Punkt. – So unwichtig ist Ihnen das.

Drittletzter Punkt, etwas, was auch wir gefordert haben und wo Sie auch hinterherhoppeln: Ausbau der Kapazitäten zur ABC-Abwehr. (Zwischenruf des Abg. Böhacker. ) Übersetzt für die Zuschauer bedeutet das: Wenn Terroristen biologische Substanzen, chemische Substanzen verwenden, die Milzbrandproblematik, dann steht das bei Ihnen an drittletzter Stelle. Es ist für Sie nicht wichtig. Das ist die Wahrheit. Das ist nicht wichtig.


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