Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 83. Sitzung / Seite 44

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Daher haben Sie sich für den einfacheren Weg entschieden, nämlich die Österreicherinnen und Österreicher finanziell zu belasten, anstatt eine Verwaltungsreform durchzuführen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Der Kernpunkt heute ist aber auch eine Veränderung im Beamtendienstrecht. Ich halte das, was da passiert, gelinde gesagt für einen sozialpolitischen Skandal!

Der Herr Bundeskanzler hat nämlich am 1. Mai erklärt: Die Österreicherinnen und Österreicher sollen erst mit 65 Jahren in Pension gehen. – Ich habe in der Woche nach seiner Aussage mit vielen Menschen gesprochen, mit Bauarbeitern, mit Metallarbeitern, mit Krankenschwestern und anderen – und sie alle waren empört. Herr Bundeskanzler! Ein Stahlarbeiter, der Ihre Partei wählt, ihr angehört, hat mir in der Steiermark Folgendes gesagt: Der Herr Bundeskanzler soll einmal einen Tag lang die Arbeit machen, die wir jeden Tag zu machen haben, und dann sagen, man soll mit 65 in Pension gehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Heute aber wird uns eine Frühpensionierungsaktion für den öffentlichen Dienst auf den Tisch gelegt, die darin besteht, dass Menschen – und ich bin ihnen nicht neidig –, die im öffentlichen Dienst tätig sind, mit 55 Jahren in Pension gehen können und 80 Prozent der Letztbezüge als Pension bekommen. – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Stahlarbeiter sollen bis 65 arbeiten, und die Sektionschefs werden mit 55 nach Hause geschickt! Das ist ungerecht und das werden wir nicht akzeptieren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Abgesehen davon, dass all jene, die Ihr so genanntes Vorruhestandsmodell nicht in Anspruch nehmen, auch noch bestraft werden, indem sie dann geringere Pensionen bekommen werden, abgesehen davon, dass das die teuerste Frühpensionierungsaktion ist, die jemals in der österreichischen Geschichte stattgefunden hat, bringt das auch keine Kosteneinsparungen, weil letztendlich die Kosten vom Personalaufwand ja nur in den Pensionsaufwand verschoben werden. Mit solchen Schritten, wie Sie sie heute setzen, wird man das österreichische Pensionssystem nicht positiv reformieren können! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Böhacker. )  – Sie brauchen zum Thema Pensionsreform das Wort nicht mehr zu ergreifen. An den heutigen Tag werden wir Sie noch oft genug erinnern, meine sehr verehrten Damen und Herren von den Regierungsfraktionen! (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Ein Kernbereich dieser Verwaltungsreform ist ja, Personal einzusparen, und zwar vor allem bei den Finanzämtern, bei den Bezirksgerichten, bei den Gendarmerieposten und bei den Postämtern. Es sollen nach letzten Meldungen 90 Bezirksgerichte aufgelassen werden, 700 Postämter und 119 Gendarmerieposten geschlossen werden. Ein gut Teil der öffentlichen Infrastruktur im ländlichen Raum wird mit der Politik dieser Bundesregierung beseitigt – und das unter der Führung einer Partei wie der ÖVP, die früher einmal die Interessen des ländlichen Raumes vertreten hat. Das ist die Wahrheit! (Beifall bei der SPÖ.)

Wozu führt diese Politik? – Diese Politik führt dazu, dass in vielen Tälern Österreichs, wo die öffentliche Verwaltung und die öffentlichen Dienststellen das Rückgrat nicht nur des gesellschaftlichen, sondern auch des wirtschaftlichen Lebens darstellen, nach dem Schließen dieser öffentlichen Einrichtungen als Nächstes die Geschäfte zusperren werden, weil die Menschen in den Ballungszentren einkaufen werden. Und zum Schluss werden auch noch die Gasthäuser schließen. (Abg. Wochesländer: Stimmt ja gar nicht!) Das, was übrig bleibt, sind verödete Landschaften. Und das ist eine völlig falsche Politik! Wir wollen eine Entwicklung des gesamten Landes haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Man kann sich ja in Europa die verfehlte Regionalpolitik in einzelnen Staaten anschauen. Ich kann mich noch genau daran erinnern, dass der Zentralismus einzelner Staaten in der Vergangenheit mit Recht kritisiert wurde, denn er hat in Europa in einzelnen Regionen zur völligen wirtschaftlichen Verödung geführt. Und dem gegenüber haben wir in Österreich, aufbauend auf dezentralen Strukturen, immer auf die Entwicklung des gesamten Landes gesetzt. Während in all den Gemeinden die ÖVP-Bürgermeister Sturm laufen, überall Initiativen gegen das Schließen der Postämter, der Gendarmerieposten und so weiter gesetzt werden, tut diese Bundesregierung so, als ob sie mit den Leuten draußen nichts zu tun hätte.


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