Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 83. Sitzung / Seite 110

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Wir müssen uns am Beginn des seriösen Verhandlungsprozesses eine Frage stellen: Entschließt sich Österreich dazu, bei jeder einzelnen Frage, die mit einem oder mit mehreren Nachbarn ein Problem aufwirft, immer sofort "Veto!" zu rufen und zu sagen, wenn das nicht so ist, wie wir uns das vorstellen, dann wird die Veto-Karte entweder auf den Tisch gelegt, aus dem Ärmel gezogen oder sonst was, oder entschließt sich Österreich dazu, einen Verhandlungsprozess zu führen, der von dem ausgeht, was auch wir völlig selbstverständlich für uns in Anspruch genommen haben, als wir Mitglied der Europäischen Union geworden sind, nämlich dass wir Interessen hatten, die Mitgliedstaaten der Europäischen Union ihre Interessen hatten und wir versucht haben, einen vernünftigen Ausgleich durchzuführen?

Ich kann mich nicht erinnern, dass irgendein Mitgliedstaat zum Zeitpunkt des österreichischen Beitrittes damit operiert hätte, dass er gesagt hat: Wenn Österreich das und jenes nicht macht, dann werden wir ein Veto gegen den Beitritt einlegen. Und das, was wir selbstverständlich für uns ins Anspruch genommen haben, meine sehr verehrten Damen und Herren, das sollte auch gelten im Umgang mit unseren Nachbarn und mit den künftigen Mitgliedern der Europäischen Union. (Beifall bei der SPÖ.)

Folgendes sollte man bedenken, wenn man die Veto-Karte ... (Abg. Achatz: Das ist schon etwas anders, weil wir Nettozahler sind!) Ein Nettozahler hat Ihrer Auffassung nach das Recht, mit seinen Nachbarn gröber umzugehen als ein Nichtnettozahler? (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Meine Damen und Herren! Diesen Ausspruch sollte man sich merken. Das ist die so genannte gelebte europäische Solidarität. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht hier um eine grundsätzliche Frage. Ich glaube, es gibt niemanden, der bestreitet, dass Kernkraftwerke die höchstmöglichen Sicherheitsstandards haben sollen. Das kann niemand bestreiten. Das wird auch in Tschechien niemand bestreiten, denn ich glaube ja nicht, dass es irgendjemanden in diesem Raum gibt, der der tschechischen Bevölkerung unterstellt, dass sie nicht an der Sicherheit von Kernkraftwerken interessiert ist. Alle sind daran interessiert, denn jeder Mensch will überleben und kennt die Erfahrungen von Tschernobyl.

Das heißt, das ist nicht die Frage, dass die höchstmöglichen Sicherheitsstandards erreicht werden müssen. Die Frage ist, mit welchem Weg man das erreicht. Erreicht man das mit zivilisierten, gleichberechtigten, vernünftigen Verhandlungen, die auch den außenpolitischen Interessen Österreichs Rechnung tragen, oder mit einer Strategie des Vetos, was im politischen Sinn nichts anderes heißt, als dem anderen die Pistole auf die Stirn zu setzen und zu sagen: Wenn du nicht das machst, was ich will, dann drücke ich ab! (Abg. Jung: Sie sagen das doch genauso, nur nennen Sie es jetzt anders! – Abg. Dr. Pumberger hält ein Blatt Papier mit der Aufschrift "VETO" in die Höhe.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Strategie entspricht nicht dem europäischen Geist, diese Strategie entspricht nicht dem Geist der europäischen Einigung, diese Strategie entspricht nicht dem Geist des europäischen Erweiterungsprozesses, und daher lehnen wir sie ab. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler! Sie haben sich zu diesem Thema – zumindest meinem Wissen nach – meistens vernünftig geäußert und haben für Verhandlungen plädiert. Ich muss dazu sagen, ich halte es für richtig, nicht über einen Abschluss des Energiekapitels zu reden, solange der Melker Prozess nicht zu einem Abschluss gekommen ist. Das halte ich für eine richtige Vorgangsweise. (Abg. Wenitsch: Sie sind also auch für ein Veto! Wir sagen es! Das ist der Unterschied! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Nein. Wieso sollten wir etwas abschließen, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn der Dialog noch nicht einmal beendet ist. Ich halte diese Diskussion nicht für korrekt. (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Wir schließen den Melker Prozess ab, und wir werden sehen, zu welchen Ergebnissen die österreichische Bundesregierung kommt, und wir werden das im österreichischen Parlament diskutieren. Das ist eine vernünftige Vorgangsweise. (Abg. Haller: Und was dann, wenn sie nicht zustimmen?)


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