Ich spreche hier zu einer Frage, bei der der Herr Bundeskanzler selbst, um bei seinen Worten zu bleiben, sehr leichtfüßig eingestiegen ist, nämlich am 26. Oktober in die Frage der österreichischen Neutralität.
Ich möchte aber meine Redezeit nicht dem Vergleich des Herrn Bundeskanzlers, zu dem einem auch sehr vieles einfallen würde – vor allem Lustiges –, widmen, auch nicht der Frage der Neutralität selbst, sondern mir ist es wichtig, im Zusammenhang mit Nizza einen Detail-Aspekt der Neutralität zusammenhängend hier in diesem Hause zu beleuchten.
In den Ausschussberatungen zum Nizza-Vertrag hat der Herr Bundeskanzler – wie schon wiederholt vorher – behauptet, die österreichische Verfassung sei nach dem Beitritt zur Europäischen Union und im Gefolge des Vertrages von Amsterdam so verändert worden, dass inhaltlich die österreichische Neutralität für den Bereich der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik keine Geltung mehr hätte.
In juristischer Weise ausgedrückt, behauptet der Herr Bundeskanzler, Artikel 23f B-VG hätte für diesen Bereich das Bundesverfassungsgesetz über die österreichische Neutralität aufgehoben.
Die sozialdemokratische Parlamentsfraktion teilt diese Auffassung nicht. Diese Auffassung wird auch, wie ich bemerkt habe, vom Herrn Bundeskanzler erst vertreten, seit die Sozialdemokraten – als Wächter der Neutralität – nicht mehr in der Bundesregierung vertreten sind.
Für uns stellt sich die Rechtslage, die wir ja selbst herbeigeführt haben, folgendermaßen dar: Österreich ist der Europäischen Union als neutraler Staat beigetreten. Ein eigener Neutralitätsvorbehalt war, wie dies Außenminister Mock immer betont hat, nicht erforderlich, weil das österreichische Neutralitätsgesetz weiterhin galt und das auch von jedem Staat der EU akzeptiert wurde.
Lediglich für die Einschränkung von Wirtschaftsbeziehungen, für die die Kompetenz auf die EU überging, wurde eine verfassungsgesetzliche Grundlage geschaffen.
Mit dem Vertrag von Amsterdam wurde die gemeinsame europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik ausgebaut, insbesondere wurden die so genannten Petersberg-Aufgaben aufgenommen, darunter auch bewaffnete Einsätze zur Schaffung von Frieden.
Diese friedenserhaltenden Einsätze sind nun insofern neutralitätsrechtlich relevant, als sie ein völkerrechtlicher Krieg sein könnten; sie müssen dies aber nicht sein. Sie sind dann kein Krieg im Sinne des Völkerrechtes, wenn sie auf einem Mandat der UNO oder der OSZE beruhen. In diesem Fall kann auch ein neutraler Staat wie Österreich daran mitwirken.
Folgerichtig wurde auch Artikel 23f B-VG über die Mitwirkung Österreichs an der gemeinsamen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik entsprechend geändert, indem die Petersberg-Aufgaben angeführt wurden. Dies bedeutet aber nicht, dass insofern das Neutralitätsgesetz eingeschränkt wurde, sondern es ist vielmehr so, dass Österreich an Petersberg-Aufgaben nur dann mitwirken kann, wenn dies mit dem Neutralitätsgesetz vereinbar ist.
Das ist uns jetzt nicht nachträglich eingefallen, da wir Sozialdemokraten nicht mehr in der Regierung sind, sondern ich habe das bereits am 18. Juni 1998 in meiner Rede zur Ratifizierung des Amsterdamer Vertrages auch in diese Richtung hier im Nationalrat gesagt.
Die nunmehr aufgestellte Behauptung, das Neutralitätsgesetz sei insofern derogiert worden, ist schon deswegen unzutreffend, weil ein Derogationsverhältnis voraussetzt, dass die beiden Normen einen gleichen Anwendungsbereich haben. Dies ist aber nicht der Fall! Das Neutralitätsgesetz schränkt vielmehr den Artikel 23f B-VG dahin gehend ein, dass Österreich an Petersberg-Aufgaben nur dann mitwirken kann, wenn dies mit der Neutralität vereinbar ist.
Auf diese Stellung von neutralen Mitgliedstaaten der EU nimmt der Vertrag von Amsterdam auch ausdrücklich Rücksicht. Artikel 17 des EU-Vertrages, mit dem diese Petersberg-Aufgaben eingeführt wurden, berücksichtigt ausdrücklich den besonderen Charakter der Sicherheits- und