Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 83. Sitzung / Seite 185

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Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedstaaten. Diese Wendung ist als "Irische Klausel" bekannt, und zwar gerade deswegen, weil dadurch der neutrale Status von Mitgliedstaaten der EU berücksichtigt werden soll.

Im Artikel 23 Abs.1 EU-Vertrag wurde auch ein besonderes Instrument zur Verfügung gestellt, mit dem neutrale Staaten ihren Status wahren können, nämlich die so genannte "konstruktive Enthaltung". Und die Weitergeltung des Neutralitätsgesetzes verpflichtet die österreichische Bundesregierung, gegebenenfalls von dieser "konstruktiven Enthaltung" Gebrauch zu machen.

Bundeskanzler Schüssel und Klubobmann Khol berufen sich zur Verteidigung ihrer gegenteiligen Rechtsansicht gerne auf den Ausschussbericht beziehungsweise darauf, dass in diesem Ausschussbericht auf Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen verwiesen wird. – Daraus lässt sich kein Argument gewinnen! Artikel 51 regelt lediglich das Selbstverteidigungsrecht jedes Staates. Es ist selbstverständlich, dass Österreich auch nicht neutral ist, wenn es selbst angegriffen wird und sich verteidigen muss.

Was hinter dieser juristischen Diskussion steht, ist, meine Damen und Herren, meiner Meinung nach etwas ganz anderes: ÖVP und FPÖ haben sich politisch von der Neutralität verabschiedet, für sie stellt das Neutralitätsgesetz nur mehr ein Hindernis dar. Daher ist ihnen jedes Argument recht – auch dieses –, um das Neutralitätsgesetz auszuhebeln. Dem Bundeskanzler ist kein Vergleich zu peinlich, um es herabzusetzen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wir Sozialdemokraten treten dem entgegen! Für uns ist das Neutralitätsgesetz nicht nur weiterhin rechtlich verbindlich, sondern Grundlage der österreichischen Politik in- und außerhalb der Europäischen Union. (Beifall bei der SPÖ.)

19.01

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Kubitschek. – Bitte.

19.01

Abgeordnete Mag. Maria Kubitschek (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, dass kein Mensch heute wirklich ernsthaft sagen oder vorhersehen kann, wie die Europäische Union oder wie Europa in den nächsten zehn Jahren aussehen wird. Eines ist aber, so glaube ich, auf jeden Fall klar: Jeder, der heute über die Zukunft Europas reden will, der muss mit dem Thema der Erweiterung der EU beginnen, denn diese beiden Bereiche sind wirklich untrennbar miteinander verbunden.

Die EU-Erweiterung macht es nämlich notwendig, dass eine ganze Reihe von zentralen und schwierigen Zukunftsfragen der Europäischen Union heute zu lösen ist, die ansonsten wahrscheinlich erst einige Jahre später auf der Tagesordnung gestanden wären. Ich glaube, die große Schwierigkeit dabei ist vor allem, dass heute all diese Fragen praktisch gleichzeitig gelöst werden müssen. Ich glaube, dass das ein wirklich sehr ambitioniertes Vorhaben ist, und ich glaube, dass es so gesehen auch keine Schande ist, wenn man feststellt, dass der Vertrag von Nizza diese erforderlichen Antworten noch nicht gebracht hat.

Von einer echten Reform kann bei dem Vertrag von Nizza jedenfalls heute nicht gesprochen werden. Man hat sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt, und man hat in den Verhandlungen gesehen, dass nicht einmal das sehr einfach war, ganz im Gegenteil: Auch das war ein zähes Ringen und schwierig genug.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Trotzdem glaube ich, dass der Vertrag von Nizza ein sehr wichtiger Schritt war. Er hat erstens die Tür zur EU-Erweiterung aufgemacht, er hat zweitens auch ermöglicht, dass es eine Debatte über die Zukunft der Europäischen Union geben wird, und er hat ermöglicht, dass diese Debatte – so wie es jetzt aussieht – auf eine breite öffentliche Basis gestellt wird. Ich glaube, dass eine solche öffentliche Debatte über wichtige Zukunftsthemen der Europäischen Union dringend notwendig ist, und zwar nicht nur in Europa, sondern gerade auch bei uns in Österreich.


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