Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 91. Sitzung / Seite 81

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Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Ofner. – Bitte.

12.24

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Tatsächlich wird durch die heutige Novelle eine Lücke geschlossen. Ich freue mich, dass auch Dietachmayr sich darüber freut. Er kommt ein bisschen spät, wie seine Fraktionskollegen und andere auch, denn 57 Jahre lang wäre schon Zeit gewesen, irgendetwas in dieser Richtung zu tun.

Ich möchte nicht wissen, was ihr uns geantwortet hättet, wenn wir uns hier in diesem Haus vor fünf oder zehn Jahren aus der Opposition heraus energisch dafür eingesetzt hätten. Da ist es euch nicht eingefallen, irgendetwas für die Gefangenen zu tun, nämlich für die Gefangenen aus den österreichischen Bereichen, die im Zweiten Weltkrieg, nach dem Zweiten Weltkrieg in Gefangenschaft gewesen sind.

Das heißt: Jetzt Tränen zu vergießen ist ehrenvoll, aber es kommt um Jahre zu spät!

Ich möchte in Erinnerung rufen, dass jeder, der nach dem 8. Mai als Gefangener in Haft gehalten wurde, völkerrechtswidrig in Haft gehalten wurde, denn es ist noch immer geltendes Recht – das mögen sich auch andere hinter die Ohren schreiben –, dass Kriegsgefangene erstens nur in Kriegen gemacht werden können – dann sind es aber Kriegsgefangene – und dass sie an dem Tag, an dem der Krieg beendet ist, zu entlassen sind. Das ist nur in Vergessenheit geraten. Am 8. Mai wären alle zu entlassen gewesen.

Auch wenn man Gefangene verhungern hat lassen, weil man sie – wie man behauptete – nicht hat ernähren können, dann hat die Vorgangsweise, sie trotzdem in Gefangenschaft zu belassen, gegen die Genfer Konvention verstoßen. Wenn jemand, der Gefangene macht, diese nicht ernähren kann, dann verlangt die Konvention, dass er sie sofort freizulassen hat.

Damit bin ich bei den Unterschieden zwischen den Ost- und den Westgefangenen. Sie sind geringfügiger, als uns die Propaganda manchmal glauben machen will. Wir alle wissen, dass Ostgefangenschaft, in Russland, in Jugoslawien, in Polen, in Tschechien, in sehr hohem Prozentsatz – manche sagen, in manchen Gegenden fast immer – den Tod bedeutet hat. Es ist weniger bekannt, dass sich Ähnliches auch im Westen ereignet hat. Ich erinnere an die eine Million Verhungerten in den amerikanischen so genannten Rheinwiesenlagern.

Die Zahlen stammen nicht aus Österreich, sind auch nicht in Deutschland recherchiert worden, sondern vor allem kanadische Historiker haben sich in dieser Richtung verdient gemacht und behauptet, dass Eisenhower gesagt haben soll: Wir haben zu wenig Deutsche getötet! – Eine Million ist verhungert! Die Schweizer und andere, die die Lebensmittel gehabt haben, die alle versorgt hätten, hat man nicht in die Lager hineingelassen. Man hat ihnen verboten, die Gefangenen zu verköstigen. – Eine Million Verhungerte, die nach dem Krieg in Deutschland, in den so genannten Rheinwiesenlagern, unter den Amerikanern völkerrechtswidrig festgehalten worden sind!

Auch die Vorgänge in englischer Gefangenschaft haben schon dieses Hohe Haus befasst: etwa das Räumen von Minenfeldern in Dänemark und in Schleswig-Holstein dadurch, dass man deutsche Gefangene in Kette durch die Minenfelder gezwungen hat. Ist jemand auf eine Mine gestiegen, hat man dann nachträglich gewusst: Dort war eine Mine!

Die Franzosen beispielsweise haben die Argumentation gehabt: Wir werden die Gefangenen so behandeln, dass sie sich in möglichst hoher Zahl zur Fremdenlegion melden, denn wir brauchen die Leute für Dien Bien Phu und Umgebung; es war ja schon Krieg in Indochina. Und tatsächlich ist die Umgangssprache bei nahezu der ganzen Fremdenlegion in Folge dann Deutsch gewesen.

Das muss man sich alles in Erinnerung rufen.


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