Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 92. Sitzung / Seite 123

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später Dank? – Wissen Sie, dass es nur einen einzigen Premierminister der Erweiterungskandidaten gegeben hat, der damals für die Sanktionen eingetreten ist? Einen einzigen, und das war Tschechiens Zeman! Herr Kollege Gusenbauer! Diesen Dank hätten Sie sich ersparen können in Ihrer heutigen Rede zu dieser Dringlichen Anfrage! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie sprechen auch von Demokratie. Die SPÖ spielt sich gerne als Demokratiewächter auf. Sie wissen genau, dass Demokratie und Parlamentarismus unmittelbar miteinander verknüpft sind. Man kann nicht immer nur von Demokratie sprechen, sondern man muss sie auch leben, und man muss den Parlamentarismus mit der Demokratie leben.

Und da möchte ich einen kleinen, aber sehr ernsten Nachtrag zur gestrigen Sitzung machen, weil es genau hineinpasst und Sie sich immer so gern als Demokratiewächter und Hüter des Parlamentarismus aufspielen: Wir haben gestern hier meiner Meinung nach einen der wichtigsten Beschlüsse des Nationalrates, des Hohen Hauses, überhaupt gefasst, nämlich den Beschluss der Auszahlung des Pflegegeldes für die Opfer des Nationalsozialismus, die auch im Ausland leben. Einen der wichtigsten Beschlüsse! Ich bin froh darüber, dass das Parlament mit den Stimmen aller Parteien diesen Beschluss gefasst hat. Ich bin aber ebenso befremdet darüber – und ich erwarte mir hiezu eine Erklärung von Ihnen –, dass die Spitzen der beiden Oppositionsparteien – Parteichef Gusenbauer, Klubchef Cap und der Vorsitzende der Grünen Van der Bellen – an der Abstimmung, an dieser wichtigsten Abstimmung, die wir hier vorgenommen haben, einfach nicht teilgenommen haben, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Rufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP: Unerhört!)

Das ist nicht nur ein parlamentarischer Eklat, sondern das ist besonders unsensibel, und Sie sollten sich dafür in aller Form entschuldigen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Denn: In salbungsvollen Reden hier und auch außerhalb des Hauses immer von Demokratie zu sprechen, aber dann, wenn es darauf ankommt, nicht hier zu sein und bei den wichtigsten Abstimmungen zu schwänzen, das ist etwas, was man nicht akzeptieren kann, etwas, was man verurteilen muss, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition!

Sie sprechen hier immer nur von demokratiepolitischen Ausrutschern anderer Parteien, schauen sich aber selbst überhaupt nicht in den Spiegel. War es nicht ein Sozialdemokrat, der gesagt hat, die Republik werde brennen? War es nicht ein Sozialdemokrat, der die Regierung mit dem Schlächterregime der Taliban verglichen hat? War es nicht ein sozialdemokratischer Parteivorsitzender, der einer demokratisch gewählten Regierung die demokratische Legitimation abgesprochen hat? Und ist es nicht eine SPÖ-Funktionärin, eine Bundesgeschäftsführerin, die vor wenigen Wochen in erster Instanz verurteilt worden ist, weil sie einen anderen Klubobmann des Hauses diffamiert hat, und letztlich vor Gericht dafür büßen muss?

Nicht wir sind diejenigen, auf die Sie mit nacktem Finger zeigen können. Sie sollten sich hier tatsächlich selbst den Spiegel vorhalten – bis hin zu den Grünen.

Auch was die Grünen angeht, muss man die Demokratie-Frage ernsthaft stellen. Meine sehr geehrten Damen und Herren! In welcher Partei wäre es denn möglich, ohne dass es die kritischen Medien hinterfragen – bei den Grünen wird es nicht hinterfragt –, dass bei einem Parteitag beschlossen wird, dass die stellvertretenden Parteivorsitzenden, die obersten Führungsorgane der Partei, nicht mehr von der Basis, nicht mehr von den gewählten Vertretern der Wähler und Funktionäre, sondern nur mehr von der Führung, vom Vorstand bestimmt und nicht mehr am Parteitag gewählt werden? – Das ist der Weg zur Führerpartei des Herrn Van der Bellen, und den werden Sie den Wählerinnen und Wählern erst erklären müssen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich bin gespannt, ob auch die Öffentlichkeit und die Medien das einmal aufgreifen, dass Sie keinen Wert auf die Basis mehr legen, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Grünen. (Abg. Öllinger: Helau! Lei, lei!)


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