Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 95. Sitzung / Seite 108

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

nicht für ein kleineres Land, sondern ich halte es für ein gewichtiges europäisches Land –, wie wird unser Land in Zukunft mit anderen vergleichbaren Ländern behandelt werden?

Wird es eine Art Vormachtstellung der großen Länder geben, der größeren Staaten wie Deutschland, Frankreich, Spanien, Großbritannien, Italien, Polen, oder werden Länder wie Österreich so wie heute in allen Institutionen vertreten sein und in wichtigen Fragen durch den Grundsatz der Einstimmigkeit geschützt sein? Diese wichtigen Fragen sind zum Beispiel folgende: Wer entscheidet über unser Wasser? Wer entscheidet über die Energieversorgung? Wer entscheidet über die Steuern? Da herrscht heute Einstimmigkeit.

Wir möchten gerne wissen, Herr Bundeskanzler, wie die Bundesregierung das sieht. Wir wollen wissen, wie in Zukunft die Staaten, die mit Österreich vergleichbar sind, in der Europäischen Union mitbestimmen werden können. Für uns ist das eine sehr wichtige Frage! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Eine weitere Frage ist die Frage der Bürgernähe. So wie wir Nationalratsabgeordnete in Wien immer wieder in unseren Wahlkreisen mit den Fragen: Was macht ihr eigentlich in Wien?, Wie geht das alles?, Was tut ihr?, Wofür bekommt ihr eure Gage?, konfrontiert sind, so sind in ungleich stärkerem Maße die europäischen Abgeordneten mit solchen Fragen konfrontiert. Auch sie werden immer wieder gefragt: Was macht ihr eigentlich? Ihr seid immer in "Europa", was tut ihr? Was macht ihr für uns?

Es ist für den Parlamentarismus in Europa wichtig, dass das Europäische Parlament in seiner Rechtsstellung zu einem vollen Parlament ausgebaut wird, dass aber das Europäische Parlament selber bürgernäher und klarer wird, dass die Rechte der Menschen auch vom Europäischen Parlament ganz wesentlich mitgestaltet werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Drei weitere Punkte, die sehr wichtig sind und die wir in unseren Fragestellungen in der Dringlichen Anfrage aufgeworfen haben, betreffen die Fragen: Wie können wir die Doppelgleisigkeit, die es in der Europäischen Union beispielsweise in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik gibt, zu einem wirksameren, verständlicheren Verfahren umgestalten? Wie schaut die Zukunft der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik aus? Wird das in die Zuständigkeit der Kommission eingebaut werden? Wie wird die Kommission in Zukunft beschaffen sein? Wird sie zu einer europäischen Regierung, was sicherlich im Interesse von Ländern wie Österreich ist? Wie sind die Räte beschaffen?

Ein Europaabgeordneter der Grünen hat die Ministerräte, in denen die den Parlamenten verantwortlichen Regierungsmitglieder in Fachräten Entscheidungen treffen, als das dunkle Loch der Demokratie bezeichnet. Ich frage Sie, Herr Bundeskanzler: Sind diese Räte ein dunkles Loch der Demokratie, oder sind diese Räte nicht gerade jene Stellen, wo die staatlichen Parlamente über die Minister, die ihnen verantwortlich sind, an der europäischen Rechtssetzung mitwirken? Das ist eine wesentliche Frage! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Besonders wichtig aber ist das Steuerfindungsrecht. Wird es in Zukunft so sein, dass nach wie vor nur die Mitgliedstaaten Steuern beschließen können? Und wir wissen aus der Bundesstaatstheorie, dass das eine Kernfrage ist: Wer beschließt die Steuern? Derzeit finanziert sich die Europäische Union nicht durch direkte Steuern. Ich hoffe, dass es so bleiben wird. Aber es wäre wichtig, Herr Bundeskanzler, von Ihnen zu hören, was wir da vertreten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir haben diese Dringliche Anfrage deshalb eingebracht, weil es notwendig ist, dass Europa eine für jeden verständliche neue und transparente Verfassung erhält – eine Verfassung, die für alle europäische Staaten gleichermaßen gilt, eine Verfassung, in der kleinere Länder wie Österreich Mitwirkungsbefugnisse haben, eine Verfassung, die bürgernäher ist und in der die Menschenrechte einen wichtigen Stellenwert haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.17


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite