Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 95. Sitzung / Seite 123

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die nationalen Parlamente, nur die österreichischen Interessen, das rotweißrote Team (Abg. Mag. Schweitzer: Ja, so ist es!), dann scheint für mich die Aussicht, dass Sie wirklich in Richtung einer Demokratisierung Europas gehen wollen, die den Rat auch an Entscheidungen des Europaparlaments bindet, noch weit entfernt zu sein.

Was die Grundrechtscharta betrifft: Wir von den Grünen sind immer davon ausgegangen, dass diese Grundrechtscharta verbindlich wird. Das war ja auch einer der Punkte in Nizza, die wir als Scheitern beurteilt haben, nämlich dass diese Grundrechtscharta nicht verbindlich wurde, dass es keine einklagbaren Grundrechte sind. Es ist für mich schon etwas verwunderlich, wenn dann auch Sie, Herr Bundeskanzler Schüssel, die Meinung vertreten, dass eine Verbindlichkeit der Grundrechtscharta nicht wirklich das Ziel sein kann. Sie waren doch als Außenminister selbst einer, der gemeinsam mit dem damaligen italienischen Außenminister Dini dazu beigetragen hat, dass es da einen ersten Vorschlag gegeben hat, und jetzt wollen Sie nicht einmal, dass das, was daraus geworden ist, rechtsverbindlich wird!?

Ich frage Sie daher: Wozu machen wir dann eine Grundrechtscharta, wenn sie nicht einklagbar ist, in welcher noch dazu Grundrechte enthalten sind, wie etwa der Schutz vor Diskriminierung, die in der Europäischen Menschenrechtskonvention in diesem Sinne nicht enthalten sind? – Vielleicht deswegen, weil darin auch die sexuelle Orientierung vorkommt, und da wissen wir ja, dass die ÖVP und der Herr Bundeskanzler diesbezüglich eine eindeutige Meinung haben und keine Grundrechte einführen wollen. (Beifall bei den Grünen.) Ich hoffe, dass das nicht der einzige Hintergrund Ihrer Haltung ist.

Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren von der ÖVP und von den Freiheitlichen! Es ist schon auch sehr erstaunlich, dass Sie hier Johannes Voggenhuber so massiv kritisieren, der das Demokratiedefizit in der Europäischen Union angesprochen hat. Zugegeben, auch wir Grünen sind nicht immer mit allem, was Johannes Voggenhuber sagt, einverstanden, aber in diesem Fall, den Rat als "schwarzes Loch der Demokratie" zu bezeichnen und damit das Demokratiedefizit in der EU anzusprechen, hat er leider sehr Recht.

Wenn das anders wäre, dann wäre Nizza ja nicht gescheitert, dann wäre nicht noch in der letzten Nacht hinter verschlossenen Türen versucht worden, irgendetwas auszuarbeiten, was dann eh nicht Hand und Fuß gehabt hat, dann wären wir jetzt auch, was die Zukunft der Europäischen Union betrifft, schon etwas weiter.

Dieser Rat gehört demokratisiert, und die Überlegung, aus dem Rat eventuell eine zweite Kammer zu machen, ist eine, die ich durchaus diskussionswürdig finde. (Bundeskanzler Dr. Schüssel: Wirklich nicht!) Aber das soll wohl der Konvent entscheiden, und da bin ich sehr froh darüber, dass in dem Konvent eine Mehrheit von Parlamentariern und nicht eine Mehrheit von Regierungsmitgliedern vertreten ist.

Klubobmann Khol hat gemeint, dass der Bundeskanzler so entscheidend dazu beigetragen hat, dass dieser Konvent jetzt stattfindet. Herr Klubobmann Khol – auch wenn Sie jetzt mit Herrn Klubobmann Van der Bellen sprechen, spreche ich Sie an –, ich möchte Sie daran erinnern, dass der Konvent auch schon zu Zeiten der Grundrechtscharta funktioniert hat und dass Bundeskanzler Schüssel – ich kann mich noch sehr gut an diese Debatten erinnern – am Anfang eher davon ausgegangen ist, einen sehr offenen, breiten Konvent zu machen, wo nicht die Parlamentarier und die Parlamentarierinnen – also auch die wenigen Frauen, die da auch dabei sind – das Sagen haben. Also jetzt dem Herrn Bundeskanzler die Geburt dieses Konvents in eine nicht vorhandene Wiege zu legen, das halte ich doch für verfehlt.

Noch etwas: Herr Kollege Schweitzer hat, sofern ich ihn richtig verstanden habe – es war etwas eigenartig, das von ihm in dieser Form zu hören, aber ich glaube es ihm schon –, von der Teilnahme der nationalen Parlamente am Rat gesprochen. Wenn sich Kollege Schweitzer das so vorstellt, wie es Kollege Spindelegger gemeint hat, nämlich dass es dann halt einige nationale Abgeordnete gibt, die gemeinsam etwas beim Rat einbringen, dann möchte ich ihm sagen: Ich würde zuerst einmal darauf pochen, dass die Möglichkeit, die wir im österreichischen Nationalrat haben, eben im Hauptausschuss, wirklich so genutzt werden kann, dass Minister und


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