Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 95. Sitzung / Seite 125

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abweichende Meinung hat. Da muss man sich in der Substanz auseinander setzen. Unsere Diskussionsbemühungen mögen genauso gut oder problematisch oder schlecht sein wie der Konvent als solcher oder eine Parteiveranstaltung oder eine Diskussion hier im Parlament, aber zu sagen, diese Diskussion ist gut und die andere Diskussion ist schlecht, da nehme ich mit Stolz nicht daran teil, das halte ich nicht für richtig. Nehmen wir einander ernst! Ich glaube, dann fahren wir alle miteinander besser, und die Bürger haben ein besseres Gefühl. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Frage 9 von Herrn Abgeordnetem Khol war, ob ich den Euratom-Vertrag in seiner heutigen Form für zeitgemäß halte. – Die Antwort ist klar: Nein! Es ist klar anachronistisch, für einen winzigen Wirtschaftszweig, nämlich die Energiegewinnung aus Kernkraft, einen eigenen, besonderen europäischen Vertrag zu haben, während alle anderen volkswirtschaftlichen Aktivitäten im EG-Vertrag geregelt sind.

Wir wollen daher diesen Euratom-Vertrag in das europäische Recht integrieren, und zwar unter Schaffung eines Energiekapitels, was natürlich dann zur Folge hätte, dass man auch die inhaltlichen Defizite beseitigen könnte, denn da ist mehr Europa gefragt. Da bin ich der Meinung, dass der Förderzweck des Euratom-Vertrages falsch ist, weil er vor den historischen Zielen einseitig ist, überhaupt nicht mehr den Schutzzweck des Vertrages im Vordergrund hat, nukleare Sicherheitsfragen überhaupt nicht vorkommen. Wir alle wissen, dass es nur durch gemeinsame europäische Sicherheitsstandards auch ein gemeinsames europäisches Schutzniveau für unsere Bevölkerung geben kann. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wettbewerbsrechtlich stellt der Euratom-Vertrag eine einseitige Förderung der Atomindustrie dar, weil insbesondere seit In-Kraft-Treten der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie die Gefahr von Marktverzerrungen deutlich vorhanden ist. Wenn wir schon über das Demokratiedefizit viele Worte verlieren, dann muss ich sagen: Hier ist es eklatant, denn in diesem Bereich hat das Europäische Parlament null und nichts mitzureden! Daher wäre eine Überführung dieses Euratom-Vertrages, die Integration eines Energiekapitels in den heutigen europäischen Vertrag ganz wichtig. Das bringt der Bevölkerung etwas, ist ein wichtiges Thema, ist im Interesse des Schutzes für alle und beseitigt ein demokratisches Defizit. Das wäre eine Sache, die hoffentlich unsere Vertreter nachhaltig in die Konventberatungen einbringen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.29

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich schlage vor, dass wir die Konventsnominierung jetzt aus einer kontroversiellen Diskussion heraus lassen.

Wahr ist: Ich habe die Nominierung in einem Brief an den Bundeskanzler vorgenommen, und ich habe mich der Zustimmung aller versichert. Darüber brauchen wir, glaube ich, nicht zu streiten.

Herr Abgeordneter Jung gelangt nun zu Wort. – Bitte.

16.30

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Ich möchte nicht wie Kollege Khol mit Herrn Pufendorf oder dessen Zeitgenossen Grimmelshausen beginnen, denn zu dieser Zeit gab es einen ähnlichen Konvent, den Westfälischen Frieden, der eine Neuordnung Europas betrieben hat, die damals zugunsten Frankreichs, Englands, Hollands und anderer Staaten und zu Lasten des Heiligen Römischen Reichs gegangen ist, zu dem auch die Habsburger-Staaten gehört haben. Ich hoffe, wir werden nicht die Draufzahler bei diesem Konvent sein.

Der 28. ist ein nicht unwichtiges Datum, wenngleich ich vielleicht nicht ganz so optimistisch bin – das mag eine Folge meines Berufs sein. Ich versuche, Realist zu sein, und glaube, dass am Ende keine Verfassung stehen wird. Die Zeit, die zur Verfügung steht – ich glaube auch nicht, dass dieser Zeitrahmen ganz wird eingehalten werden können –, ist zu kurz, und die Widerstände, die es gibt, werden in dieser Zeit nicht überwunden werden können. Dies erkennt man, wenn man an Staaten wie Großbritannien denkt, das eine Verfassung im üblichen Sinn


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