Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 97. Sitzung / Seite 233

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22.16

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bundesminister Strasser! Sehr geehrter Herr Bundesminister Böhmdorfer! Herr Minister Strasser, im Zusammenhang mit dem Vereinsgesetz hatten Sie versprochen, dass alle Vereine von Ihrem Ministerium eingeladen werden, um dazu beizutragen, dass ein Gesetz zustande kommt, das die Vereine nicht schädigt.

Herr Minister Strasser, Sie werden es vielleicht noch wissen: Am 9. Jänner 2002 fand diese Sitzung in Ihrem Ministerium statt. Was ist dort geschehen, Herr Minister? – Sie haben zu dieser Veranstaltung selbstverständlich auch die Österreichische Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation – das ist der Dachverband aller Behindertenorganisationen in Österreich – eingeladen, beim neuen Vereinsgesetz mitzudiskutieren. Herr Minister Strasser! Allerdings haben Sie den VertreterInnen vorher nicht gesagt – und das ist wesentlich –, dass Sie für diese Veranstaltung Räumlichkeiten gewählt haben, welche die BehindertenvertreterInnen nicht erreichen konnten, weil Sie ihnen vor die Räder Stufen "gestellt" haben! Daher konnte sich der Vertreter der ÖAR bereits vor Beginn dieser Veranstaltung wieder verabschieden, das heißt, er musste draußen bleiben und durfte unverrichteter Dinge wieder nach Hause fahren.

Herr Minister Strasser! Was damals geschehen ist, das ist ein Skandal! Kann es sein, dass eine Bestimmung, die seit 1997 Gültigkeit hat, nämlich § 7 Bundes-Verfassungsgesetz, die die Gleichstellung behinderter Menschen betrifft, noch nicht bis ins Innenministerium durchgedrungen ist? Wäre Ihnen diese Bestimmung bekannt, Herr Minister, dann hätte es nicht passieren dürfen, dass der Vertreter von 300 000 behinderten Menschen von dieser Veranstaltung ganz einfach ausgeschlossen wird!

Herr Minister! Ich erwarte mir von Ihnen heute eine Erklärung, wie Sie es rechtfertigen, dass Sie den Dachverband der Behindertenverbände von der Entstehung dieses wesentlichen Gesetzes ausschließen. Das ist eine Pikanterie.

Genauso pikant ist das Vereinsgesetz, das wir heute hier auf dem Tisch haben. Herr Minister! Sie gefährden damit speziell kleine Vereine, weil kleine Vereine nicht die finanziellen Möglichkeiten haben und es sich in der Regel nicht leisten können, zum Beispiel eine Buchhalterin zu organisieren und anzustellen oder ihre Buchhaltung und Rechnungslegung einem Büro zu übergeben. (Abg. Dr. Grollitsch: Warum? – Zwischenruf des Abg. Kiss.  – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Natürlich!

Und: Bei der Begründung, dass man gerade deshalb die Rechnungslegungspflicht eingeführt hat (Abg. Kiss: Sie wissen ja nicht, wovon Sie reden! Glauben Sie nicht, dass man bei 13,7 Millionen Schilling einen Buchhalter ...?), weil man öffentliche Mittel kriegt, haben Sie vergessen, dass jeder Subventionsgeber unabhängig von diesem Gesetz ohnehin Jahr für Jahr einen Subventionsnachweis verlangt. (Abg. Kiss: Bei 13,7 Millionen ...!) Das heißt, dass man die Rechnungslegung ohnehin schon auf Grund der Subventionsvergabe machen musste und jene Vereine, die keine öffentlichen Mittel kriegen, jetzt trotzdem dazu gezwungen werden.

Herr Minister! Ich hätte mir von einem Vereinsgesetz erwartet, dass auch unterschieden wird, ob Vereine, die im Vereinsrecht als Vereine deklariert sind, wirklich noch Vereine sind oder nicht inzwischen zu großen Firmen geworden sind. Ich denke da konkret an das Niederösterreichische oder Oberösterreichische Hilfswerk – Sie kennen es ja sehr gut –, an die Volkshilfe und an andere große Vereine, die teilweise über hundert MitarbeiterInnen haben und die dort nicht mehr auf freiwilliger Basis arbeiten müssen, sondern ganz klar DienstnehmerInnen sind. Ich glaube, da geht es nicht mehr um Vereine, sondern das sind inzwischen Unternehmen geworden, und diese sollten auch wirklich als Unternehmer auftreten. Das wäre sinnvoll. Damit hätten wir die Chance, die Vereine, die wirklich noch Vereinstätigkeit machen, so zu belassen, wie sie waren, und diejenigen, die sich bereits zu Unternehmen entwickelt haben, wirklich in eine Unternehmensform umzuwandeln, aber nicht so, wie Sie es gemacht haben: dass sie praktisch wie eine Aktiengesellschaften agieren müssen.


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