Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 101. Sitzung / Seite 153

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18.10

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bis heute hat mich niemand davon überzeugen können, dass Abgeordnete zum Nationalrat das Recht haben sollen, Menschen in dieser Republik straffrei beschimpfen zu dürfen.

Die Immunität hatte doch immer einen anderen Sinn. Die Immunität war nie als Privileg eines einzelnen Abgeordneten gedacht. Die Immunität war immer gedacht als eine gesetzliche Garantie, dass der Nationalrat unter allen Umständen in seiner gewählten Zusammensetzung zusammentreten darf. Ein Verfahren nach § 111 gefährdet mit Sicherheit nicht das Zusammentreten des Nationalrates in seiner gewählten Form.

Wenn Herr Ing. Westenthaler wieder einmal einen Journalisten, einen politischen Gegner, einen Künstler, einfach einen Andersdenkenden beschimpft und beleidigt hat (Abg. Dr. Martin Graf: Das tut er nie!) und dafür vor einem ordentlichen Gericht steht (Abg. Dr. Martin Graf: Das machen immer nur Sie!), wird er trotzdem von niemandem daran gehindert werden, sein Nationalratsmandat auszuüben. (Zwischenruf des Abg. Ing. Scheuch. ) Warum soll er, warum sollen wir und warum soll daher jeder von uns vor Verfahren wegen übler Nachrede geschützt werden?

Dann gibt es ein anderes Problem, und an dieses Problem möchte ich auch erinnern. Nach wie vor ist es möglich, nicht nur Abgeordnete, sondern alle Menschen in dieser Republik zivilrechtlich so zu klagen, dass das persönliche Vermögen darüber entscheidet, ob man sich zur Wehr setzen kann. Eine zivilrechtliche Klage nach § 1330 ABGB in Verbindung mit einer Feststellungsklage kann – und ich kann Ihnen darüber authentisch berichten – durchaus mit einem Streitwert von 100 Millionen Schilling enden.

Hier gibt es eine unglaubliche Ungleichheit vor dem Gesetz und vor dem Richter oder der Richterin. (Abg. Neudeck: Und den Schaden ...?) Ich appelliere an Sie, meine Damen und Herren, diese Lücken zu schließen, nicht nur für Abgeordnete dieses Hauses, sondern für alle Menschen, die von derartigen Verfahren betroffen sein können. Wenn es einen Streit gibt, dann sollen nicht der Besitz und das Vermögen darüber entscheiden, ob man die Chance hat, vor einem Zivilrichter oder einer Zivilrichterin einen Streit zu einem Ende zu bringen.

Darum geht es: Streitwertbegrenzungen einzuführen und auch in der Feststellungsklage die Obergrenze von 270 000 S gesetzlich zu verankern! Das sind Aufgaben des Nationalrates, wenn er nicht nur an sich selbst und seine Mitglieder denkt, sondern sagt: Wie soll Chancengleichheit vor dem Gericht für alle Menschen in dieser Republik hergestellt werden?

Meine Damen und Herren! Das zu diskutieren, empfehle ich, und dazu wollen wir vom grünen Klub – da wird es keine Differenzen bei uns geben – Ihnen in naher Zukunft einen Vorschlag machen: Wie können wir diese Chancengleichheit im Zivilrecht für alle Menschen dieser Republik im Nationalrat gemeinsam durchsetzen?

In der Frage des strafrechtlichen Immunitätsschutzes bleibe ich dabei: Üble Nachrede ist mit Sicherheit kein Tatbestand, für den es Freibriefe geben könnte und sollte. Ich bin mir sicher – und die Erfahrung zeigt es –, dass eine überwältigende Mehrheit der Mitglieder dieses Hauses von derartigen Freibriefen nie Gebrauch machen würde.

Ich kenne aber zumindest einen Abgeordneten, der diesen Freibrief völlig falsch verstehen würde. Allein aus diesem Grund bin ich dafür, üble Nachrede nicht zum Gegenstand der parlamentarischen Immunität zu machen und den Abgeordneten Westenthaler an das Gericht auszuliefern, das er sich wirklich nach allen Kräften verdient hat. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Pfui-Rufe bei den Freiheitlichen.)

18.14

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.


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