Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 104. Sitzung / Seite 61

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

nicht nur eine Betreuung und Begleitung ermöglichen können, sondern auch ein Leben, das für sie irgendwie auch erträglich ist und ihnen eine gewisse Freiheit in dieser sehr eingeschränkten Situation gewährt. Ich glaube, da haben wir noch nicht zu Ende gedacht, und diese Chance müssen wir nützen, diesbezüglich noch weiter nachzudenken. Das möchte ich an den Beginn meiner Ausführungen stellen. (Beifall bei der SPÖ.)

Deswegen sind wir ja auch so verwundert über Ihr Stehenbleiben in der Mitte der Debatte. Sie haben gesagt, Frau Gatterer, völlig zu Recht, sterbende Menschen wollen nicht allein sein. Diese Sterbekarenz soll genau das ermöglichen, dass diese Menschen eben nicht allein sind. Herr Kollege Öllinger und andere haben schon gefragt: Was tut dann ein homosexueller Mann oder eine homosexuelle Frau, die auch gerne bei ihrem Partner, bei ihrer Partnerin sein möchten? – Ich weiß nicht, ob Sie sich jemals den Film "Philadelphia" angeschaut haben. Wer diesen Film gesehen hat, weiß, worum es geht. Allen, die ihn nicht gesehen haben, würde ich empfehlen, sich Tom Hanks in der Rolle dieses AIDS-kranken Mannes anzuschauen, denn das bringt Ihnen sehr nahe, was da eigentlich stattfindet, was Sie hier mit diesem Beschluss, den Sie heute fassen werden, vielen Menschen nicht ermöglichen.

Es geht auch um Freunde. Es geht nicht nur um Familienangehörige, es geht auch um Freunde! Und manches Mal sogar wesentlich mehr um Freunde als um Familienangehörige. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) Das haben Sie aus Ihrem Bewusstsein gestrichen, weil es nicht Ihre Philosophie ist, weil Sie ein Dogma in diesem Land festzulegen versuchen, wie Menschen zu leben haben – und wer dieses Dogma nicht erfüllt, bekommt auch nicht die Vorzüge Ihrer Gesetze zu spüren. Das ist eine falsche Vorgangsweise, und das haben wir ganz klar immer wieder zum Ausdruck gebracht.

Nun zu den Frauen. Es ist tatsächlich ein Gesetz gegen die Frauen, und zwar gegen einen ganz bestimmten Teil von Frauen. Ich habe auch da eine ganz bestimmte Person vor mir: eine gute Freundin. Sie war immer Alleinerzieherin, ist Akkordarbeiterin und hat ihre Mutter verloren. Diese Frau hatte nicht die Möglichkeit – in der Vergangenheit, das gebe ich zu, aber sie hätte sie auch in der Zukunft nicht –, diese Karenz in Anspruch zu nehmen. Da ist keine Schwester, da ist kein Bruder, da ist niemand – da ist sie allein. Und sie soll jetzt plötzlich drei Monate oder ein halbes Jahr aus dem Beruf ausscheiden und sagen, ich schenke meiner Mutter diese drei Monate oder dieses halbe Jahr? Das kann sie nicht herschenken, denn sie kann nicht etwas herschenken, das sie ganz einfach nicht hat.

Da wird unter Umständen auch der Härteausgleich beziehungsweise der Härtefonds nichts nützen. Da bin ich schon sehr skeptisch, Herr Minister. Ich habe mir sagen lassen, Sie haben gestern noch von 20 000 S gesprochen, jetzt sprechen Sie von 36 000 S. Diese Frau zum Beispiel hat ihre Lebenshaltungskosten, sie muss ihre Miete weiter bezahlen, sie kann nicht darauf vertrauen, dass es nachher schon irgendwie weitergehen wird. Sie hat auch keine Ersparnisse, denn als Akkordarbeiterin wird man sich schwer Ersparnisse ansammeln können.

An diese Gruppen haben Sie alle nicht gedacht. Auch da haben Sie wieder nur an jene Menschen und Lebensformen gedacht, die dem entsprechen, wie Sie glauben, dass die Menschen zu leben haben: in fixen Partnerschaften mit Trauschein. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) Und wer das nicht vorzuweisen hat, hat eben Pech gehabt. Das ist nicht unsere Philosophie.

Sogar das Sozialrecht wird von Ihnen neu definiert, Sozialrecht, das für uns immer zwei Standbeine hatte: auf der einen Seite das Recht, aber auf der anderen Seite natürlich auch die Ökonomie, die dahinter zu stehen hat. Das haben Sie ganz draußen gelassen; Sie behaupten mittlerweile im Vier-Parteien-Antrag, im Rahmen dieser sozialrechtlichen Bestimmung wäre gar nicht an die Ökonomie gedacht gewesen. – Natürlich brauchen Menschen auch finanzielle Absicherungen!

Weil ich gerade beim Sozialrecht bin, noch ein paar Worte dazu. Ich lese im "WirtschaftsBlatt", dass Herr Staatssekretär Waneck noch lange nicht das Thema abgehakt hat, die Krankenversicherung völlig umzukrempeln. Das schaue ich mir an, wie das dann dort funktioniert, wenn


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite