Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 107. Sitzung / Seite 69

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vollkommen klar. Ich hätte es auch nicht, wenn ich aus einer völlig anderen Welt käme. Aber Sie müssen ja das Verständnis nicht haben, Sie müssen nur bereit sein, das zu unterstützen, was sozial schwache Menschen verlangen – und nicht dagegen reden und sagen: Das ist gar nicht notwendig, wir haben das eh schon alles! Sie sollten sich aufklären lassen darüber, wie es wirklich ausschaut und dass es noch sehr viele Menschen gibt, denen es bei weitem nicht so gut geht wie Ihnen, Herr Minister. Das sollten Sie nicht vergessen, Sie sollten da endlich einmal hinhören! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Bundesminister Dr. Bartenstein: Das habe ich auch nicht vergessen und werde ich auch nie vergessen!)

Wenn heute gesagt wurde, jetzt auch wieder von Frau Gatterer, wie gut wir überall seien, welch gute medizinische Versorgung wir hätten und dass wir Spitzenreiter seien: Frau Gatterer und meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie haben vergessen, dass die Ambulanzgebühren eingeführt worden sind und dass diese für sehr viele ein Problem sind, weil sie sich ganz einfach diese Kosten, zusätzlich zu den Selbstbehalten, die sie ohnehin schon haben, nicht mehr leisten können. (Abg. Dr. Trinkl: Welche Selbstbehalte?)

Diese Wahlfreiheit des Arztes, die Sie jetzt wieder propagiert haben, gibt es nicht! Was machen Sie denn auf dem Land, wenn Sie keine öffentlichen Verkehrsmittel haben, um zum Arzt Ihrer Wahl zu kommen? Was machen Sie, wenn Sie alt oder behindert sind und nicht den dritten Stock, in dem sich die Arztpraxis befindet, erreichen können? Wo bleibt denn da die Wahlfreiheit? Die haben Sie nicht! Sie müssen dorthin gehen, wo es für Sie möglich ist, und das ist in der Regel die Ambulanz, weil die Ambulanzen in der Regel stufenlos erreichbar sind.

Das alles wissen Sie anscheinend nicht, und das zeigt ganz deutlich, dass Sie schon lange nicht mehr wissen, was sich wirklich im alltäglichen Leben von Menschen abspielt, von Menschen, die nicht da herinnen sitzen, von Menschen, die nicht der Gruppe der Bartensteins und Prinzhorns angehören, sondern von einfachen Menschen, die jeden Tag arbeiten gehen müssen oder keine Arbeit mehr haben, von alten Menschen, die nicht diesen sozialen Standard haben, den wir alle hier herinnen haben. (Beifall bei den Grünen.)

Setzen Sie sich doch einmal mit dieser Gruppe auseinander! Schauen Sie einmal in die großen Siedlungen, und sehen Sie, was dort abläuft! Dann, meine sehr geehrten Damen und Herren, würden Sie erkennen, wenn Sie wollen, dass es noch keinen Sozialstaat gibt, der wirklich für alle Menschen – ich meine: für alle Menschen – Umstände schafft, unter denen man zumindest halbwegs lebenswert leben kann.

Frau Gatterer und andere haben heute schon die so genannte Behindertenmilliarde erwähnt. Diese "Behindertenmilliarde" wird seit eineinhalb Jahren wie ein Schutzschild vor sich hergetragen, und was sich dahinter versteckt, das wollen Sie natürlich nicht herzeigen. Sie tragen diese "Behindertenmilliarde" vor sich her, weil jeder, der "Behindertenmilliarde" hört, denkt: Na, so schlecht kann diese Regierung nicht sein, sonst täte sie ja für die Behinderten nichts!

Die behinderten Menschen werden aber von Ihnen teilweise missbraucht (Abg. Achatz: Das ist eine Frechheit! Das ist wirklich eine Frechheit! Das ist ja unerhört, was Sie sich da erlauben! Wirklich unerhört! – weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen), missbraucht, damit Sie die Einschränkungen, die Sie beschlossen haben, rechtfertigen können. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Was die "Behindertenmilliarde" für arbeitslose behinderte Menschen gebracht beziehungsweise nicht gebracht hat, zeigen die ersten Zahlen, die jetzt auf dem Tisch liegen, meine sehr geehrten Damen und Herren: Mit 31. Dezember 2001 waren um 1 811 mehr behinderte Menschen arbeitslos als ein Jahr zuvor – und das trotz "Behindertenmilliarde"!

Da frage ich mich, ob Sie Ihr Ziel erreicht haben, das Sie sich gesteckt haben, nämlich bereits im ersten Jahr 2 500 zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen. Das ist Ihnen nicht gelungen! Sie haben 1 811 Arbeitsplätze vernichtet und keine zusätzlichen geschaffen! (Abg. Murauer: Jetzt müssen Sie nur mehr sagen: mutwillig! Das geht noch ab!)


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