Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 107. Sitzung / Seite 74

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Die Ankündigung, dass dieses Sozialstaat-Volksbegehren die größte Bürgerbewegung der Republik sein wird, hat sich nicht erfüllt. Warum? Es wurden sehr viele Diskussionen geführt, es wurde sehr viel Kritik an der Regierung geübt, aber in Wirklichkeit haben die Menschen eines sehr deutlich gespürt: Es geht nicht nur um die Sache bei diesem Volksbegehren. Es geht sehr wohl um Themen, aber es geht im Wesentlichen um Parteiinteressen, um parteipolitische Ziele und gegen diese Regierung. Und das, glaube ich, ist das wenig Positive an dem Volksbegehren, wiewohl ich nochmals sage, dass wir uns im Ausschuss – Kollege Feurstein wird dafür sorgen – sehr ernst mit den Inhalten und Fragen auseinander setzen werden.

Sozialpolitik braucht auch klare Antworten, meine Damen und Herren! Da Sie heute alles kritisieren, verweise ich auf das Jahr 1995, ein Wahljahr. Wir haben damals gesagt, wir brauchen eine Pensionsreform. Unser damaliger Koalitionspartner hat gemeint, das brauche man alles nicht. Es gab einen Brief vom damaligen Bundeskanzler: Wenn ich Kanzler werde, gibt es keine Reform. – Das war nicht richtig! Die Regierung war gewählt, und die Partei hat gewonnen, und zwei Jahre später gab es eine sehr einschneidende Reform, die sein musste. (Abg. Silhavy: Wir sind im Parlament, nicht im Schauspielhaus!) Deshalb ist es richtig, wenn man zeitgerecht mit den Menschen redet – auch Sie, Frau Kollegin Silhavy, ob Sie wollen oder nicht.

Mich wundert, Frau Kollegin, dass es nach 30 Jahren sozialistischer Regierung, Alleinregierung, Koalition mit den Freiheitlichen, Koalition mit uns, überhaupt noch soziale Fragen in diesem Land zu lösen gilt. Sie haben ja 30 Jahre Zeit gehabt, alles aufzuarbeiten, alle Probleme zu lösen, das soziale Paradies auf dieser Welt zu schaffen. Warum haben Sie das nicht gemacht?, frage ich Sie. Das ist eigentlich das Thema, worüber wir reden sollten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich denke, dass all diese Themen, die heute mehrmals angesprochen wurden – Kinderbetreuungsgeld für jede Familie, "Abfertigung neu" und alle anderen Leistungen –, herzeigbare Reformen sind, positiv wirken und uns im Ranking Europas und der Staatengemeinschaft wieder einmal deutlich nach vorne bringen. Darauf sollen alle Österreicher stolz sein, dass wir in einem Land leben, wo das Sozialsystem funktioniert. Wir alle sind gefordert, das mit Phantasie, aber auch mit Sensibilität weiterzuentwickeln, anstatt Polemik zu betreiben, ständig Vorhaltungen zu machen und Besserwisser sein zu wollen. Das ist nicht die Lösung.

Eines darf ich Ihnen noch sagen: Wenn Herr Kollege Gusenbauer heute früh sagte, die Situation sei deshalb so fürchterlich, weil es keine Budgetspielräume mehr gebe, dann sei, mit Verlaub, gefragt: Warum gibt es denn keine? – Weil wir zu viel für die Aufarbeitung der Vergangenheit brauchen und zu wenig Geld für die Gegenwart und die Zukunft haben. Das ist aber nicht die Schuld dieser Regierung, sondern dafür müssen Sie selbst geradestehen, wenn Sie ehrlich sind!

Ein Zweites: Sie kritisieren das Nulldefizit, zum anderen verlangen Sie die verfassungsmäßige Festsetzung des Nulldefizits. (Zwischenrufe der Abg. Silhavy. )  – Frau Kollegin Silhavy, das geht nicht, das passt nicht zusammen!

Sie sprechen von sozialer Kälte, und gleichzeitig spielen Sie die Menschen gegeneinander aus. Das ist nicht die feine Art, die die Politik braucht! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Es gibt in Österreich noch immer 300 000 Menschen, die Pensionen mit Ausgleichszulage haben. Sie waren nie dazu bereit, hier ehrlich mit uns über eine Weiterentwicklung zu diskutieren und Verbesserungen herbeizuführen. Das ist bedauerlich und zeugt nicht von sozialem Engagement, von Qualität oder Gefühl.

Oder: Der Sozialbericht des Jahres 1999 zeigt auf, dass wir in Österreich etwa eine Million Menschen haben, die armutsgefährdet sind.

Noch etwas zum Nachdenken: Wer die Pensionsdiskussion meidet, versündigt sich an der Jugend. Wer die Pensionsdiskussion meidet, sagt den Bürgerinnen und Bürgern, sagt der Jugend nicht die Wahrheit und verdient es auch nicht, anerkannt, gewählt oder geschätzt zu


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite