Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 111. Sitzung / Seite 153

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Ich unterbreche jetzt vereinbarungsgemäß die Beratungen über die Verhandlungsgegenstände 3 bis 8, damit der Herr Bundeskanzler zum vereinbarten Zeitpunkt eine Erklärung abgeben kann.

Erklärung des Bundeskanzlers gemäß § 19 Abs. 2 GOG

Präsident Dr. Heinz Fischer: Es liegt mir ein Verlangen vor, das von allen vier Fraktionen unterschrieben wurde, über die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers eine Debatte durchzuführen.

Für die Debatte haben wir Redezeiten vereinbart, die bereits bekannt gegeben wurden. Ich darf sie noch einmal in Erinnerung rufen: Der Herr Bundeskanzler wird zirka 20 Minuten sprechen, dann ein Vertreter der grünen Fraktion 20 Minuten und dann zwei Mal je ein Redner pro Fraktion mit je 10 Minuten.

Gibt es dagegen Einwendungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das so festgelegt.

Ich erteile dem Herrn Bundeskanzler das Wort.

17.01

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Präsident! Hohes Haus! Gerne gebe ich – entsprechend der Willensbildung in der Präsidialkonferenz und auch, um den Zeitplan des Hohen Hauses vor der Sommerpause nicht zu gefährden – eine Erklärung zur Wiedererringung der Unabhängigkeit unseres Landes, zur geschichtlichen Abfolge und ihrer Bewertung.

Meine Damen und Herren! Am 3. April 1945 hat "Staatskanzler" Dr. Karl Renner – der damals natürlich nicht Staatskanzler war, sondern ein greiser Staatsmann –, zurückgeholt aus Gloggnitz, seine ersten Verhandlungen und Gespräche mit der sowjetischen Roten Armee aufgenommen. Es hat einige Kontakte gegeben, und am 27. April 1945 hat Karl Renner dann 40 Mitglieder der Provisorischen Staatsregierung in den Gemeinderats-Sitzungssaal des Wiener Rathauses zusammengerufen. Dort wurden die Proklamation, dann die Unabhängigkeitserklärung sowie die Regierungserklärung dieser neuen unabhängigen Republik beschlossen. Der Text ist berührend: Es ist eine archaische Sprache; manchmal klingt sie ein wenig altmodisch, aber sie geht direkt zu den Herzen und zu den Köpfen der Menschen, um die es geht. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt wieder den Vorsitz.)

Ich darf Ihnen einige Sätze daraus vortragen.

In der Proklamation heißt es:

"Angesichts der Tatsache,

daß der Anschluß des Jahres 1938 nicht, wie dies zwischen zwei souveränen Staaten selbstverständlich ist, ... durch Verhandlungen ... vereinbart und durch Staatsverträge abgeschlossen,

sondern durch militärische Bedrohung von außen und den hochverräterischen Terror einer nazifaschistischen Minderheit eingeleitet, einer wehrlosen Staatsleitung abgelistet und abgepreßt,

endlich durch militärische kriegsmäßige Besetzung des Landes dem hilflos gewordenen Volke Österreichs aufgezwungen worden ist,

angesichts der ... Tatsache," dass Adolf Hitler "das macht- und willenlos gemachte Volk Österreichs in einen sinn- und aussichtslosen Eroberungskrieg geführt hat, den kein Österreicher jemals gewollt hat, jemals vorauszusehen oder gutzuheißen instand gesetzt war, zur Bekriegung von Völkern, gegen die kein wahrer Österreicher jemals Gefühle der Feindschaft oder des Hasses gehegt hat, ...,

viele Hunderttausende der Söhne unseres Landes, beinahe die ganze Jugend- ..., bedenkenlos hingeopfert hat",


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