Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 111. Sitzung / Seite 213

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Fangen wir doch einmal von vorne an. Es war im November 1999. Damals hat uns die Vizekanzlerin über die Presse ausrichten lassen, dass die Bundessozialämter aufgelöst werden. Das wissen Sie noch, Herr Minister Haupt. In einer Anfragebeantwortung auf eine Anfrage, die ich an die Vizekanzlerin gestellt habe, hat sie mir geschrieben, dass sie eigentlich nicht zuständig sei. Es bleibt aber die Tatsache: Sie wollte sie auflösen.

Dann kam es zu einer großen Protestwelle von Betroffenen, von jenen Personen, die die Bundessozialämter ganz einfach brauchen, nämlich Menschen mit Behinderung. Es hat eine Petition gegeben, und dann, Herr Minister, haben auch Sie erkennen müssen, dass Sie in diesem Fall dem Druck der Vizekanzlerin nicht nachgeben können, denn behinderte Menschen haben inzwischen zumindest so viel Organisationskapazität, dass sie sich, wenn es darauf ankommt, entsprechend formieren können. Wir haben das auch schon einige Male bewiesen: Nicht nur, dass wir die Himmelpfortgasse besetzt haben, wir haben auch schon Ministerbüros besetzt. Dieses Risiko wollten Sie natürlich nicht eingehen. Auf der anderen Seite wissen Sie auch, dass das Bundessozialämterreformgesetz Verfassungsbestimmungen enthält, für die Sie die Zweidrittelmehrheit brauchen. Sie waren also gezwungen, mit uns zu verhandeln, um dieses Gesetz zustande zu bringen.

Wenn wir uns anschauen, was in die Begutachtung gekommen ist, wenn wir uns anschauen, wie die Regierungsvorlage ausgeschaut hat, und wenn wir uns das Gesetz anschauen, das wir heute beschließen, dann müssen wir zugeben: Es ist unbestreitbar, dass es große Änderungen gegeben hat. Diese großen Änderungen, die noch in das Gesetz aufgenommen wurden, sind ein Verdienst – und auf das bin ich stolz – von mir. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Herr Minister! Ich bin nicht nur auf mich stolz, ich bin in diesem Fall auch ein Stück weit auf Sie stolz, weil Sie erkannt haben, dass man sich nicht immer nach Belieben über die Interessen der behinderten Menschen hinwegsetzen kann. Sie haben Kooperation gezeigt, und ich möchte Ihrem Team, vor allem Sektionschef Dr. Gruber, recht herzlich dafür danken, dass es zumindest gelungen ist, zu verhindern, dass die Ideen der Vizekanzlerin wahr gemacht worden sind. Die Bundessozialämter bleiben erhalten, und das ist gut, auch wenn es große Einschnitte gibt.

Herr Minister! Wir werden in einigen Jahren erkennen müssen – also nicht wir, wir wissen es ja schon, sondern Sie werden erkennen müssen –, dass es sehr bald eine Novellierung geben muss, denn einige Dinge, die jetzt noch drinnen stehen – Herr Minister, Sie wissen es, Sie haben es auch in den Vorbesprechungen eingestanden –, sind ganz einfach nicht EU-konform.

Ich möchte in diesem Zusammenhang ganz konkret auf die Werkprämie hinweisen. Seit 1994 bin ich dagegen gewesen, und ich bin es heute noch, dass alle Unternehmen, die Verträge an geschützte Werkstätten vergeben, automatisch 15 Prozent des Umsatzvolumens wieder zurückbekommen. Diese Kritik habe ich immer geübt, weil sie einfach eine berechtigte war, denn in der Praxis hat das so ausgesehen, dass ein Unternehmen zwar seine Einstellungspflicht nicht erfüllt hat, sich zu Dumpingpreisen von Menschen mit Behinderung freigekauft hat, aber auf der anderen Seite einige Verträge an geschützte Werkstätten vergeben hat. Unterm Strich hat der betreffende Unternehmer ein Riesenplus gehabt, weil nämlich die Erträge aus dieser Werkprämie wesentlich höher waren als jener Betrag, der im Endeffekt an den Ausgleichstaxfonds zu zahlen war. Das war meine Kritik.

Dass es jetzt in diesem Bereich eine Änderung gibt, ist einfach auf Grund des EU-Rechts notwendig geworden. Das haben Sie selbst gesagt, und das weiß ich auch, denn kein Unternehmen darf anbieten, wenn es automatisch Prämien gibt. Das ist gesetzwidrig. Die Lösung, die Sie jetzt gewählt haben und mit der ich auch nicht einverstanden bin, ist selbstverständlich auch gesetzwidrig, denn es dürfen keine Unternehmen im Zuge öffentlicher Ausschreibungen anbieten, wenn von vornherein sichergestellt ist, dass sie vom Bund durch die Hintertür 15 Prozent für den Auftrag wieder retourniert bekommen, denn damit können sie automatisch um 15 Prozent billiger anbieten, und das ist mit dem Wettbewerb nicht vereinbar. Aber gut, so ist es. In ein, zwei Jahren, Herr Minister, wird uns die EU draufkommen, und das wissen Sie auch, und dann wird wieder Handlungsbedarf gegeben sein.


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