Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 115. Sitzung / Seite 51

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gerichtet hat: Die Wirtschaft hat der Regierung einen Wechsel ausgestellt, aber sie hat ihn nicht eingelöst. – Das ist wahrlich kein Kompliment für Ihre Wirtschaftspolitik. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler! Sie haben des Öfteren auf Vergleiche mit der Vergangenheit verwiesen, und Sie haben sich manchmal auf 1993 und 1995 bezogen. Wieso haben Sie nicht einen wirklich fairen Vergleich gezogen? – Sie sind im Jahre 2000 Bundeskanzler geworden und sind es bis jetzt. Wieso ziehen Sie nicht einen Vergleich zwischen der Situation bei Ihrem Amtsantritt und der heutigen Situation? – Dieser sähe in vielen Bereichen anders aus.

In den letzten zweieinhalb Jahren ist die Arbeitslosigkeit im europäischen Durchschnitt gesunken, in Österreich ist die Arbeitslosigkeit leider gestiegen. In den vergangenen zweieinhalb Jahren sind die Steuern im europäischen Durchschnitt gesunken, in Österreich sind die Steuern leider gestiegen. Und seit zwei Tagen wissen wir, dass der Wirtschaftsmotor in Österreich langsamer läuft als im europäischen Schnitt.

Herr Bundeskanzler! Angesichts dieser Tatsachen gibt es keinen Grund dafür, auch nur in irgendeine Art von Selbstbelobigungen zu verfallen (Abg. Dr. Trinkl: Das machen eh die anderen!), sondern Sie müssen zur Kenntnis nehmen, vor welcher Situation unser Land steht und welche Probleme wir in Zukunft zu bewältigen haben; und diese sind in der Tat nicht klein. (Beifall bei der SPÖ.)

Da Sie sich so sehr auf die Schuldenfrage kapriziert haben, muss ich Ihnen schon Folgendes sagen: Zu Jahresende 2002 wird der Schuldenstand der Republik Österreich nach den Auskünften aus dem Finanzministerium um 8 Milliarden € höher sein als zum Zeitpunkt Ihres Amtsantritts. (Ah-Rufe bei der SPÖ. – Abg. Dr. Trinkl: Edlingers Zinsen sind das!)

Von einer Zukunft ohne Schulden ist bei Ihrer Finanzpolitik keine Rede mehr. Bezüglich Ihres Verweises auf ein einmaliges Nulldefizit, das weder im Jahr 2002 noch im Jahr 2003 gehalten werden kann, sage ich Ihnen ganz offen: Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. – Sie machen neue Schulden – auch ohne die Hochwasserkatastrophe, auf die Sie sich nun ausreden. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie machen neue Schulden, obwohl wir die höchsten Steuern zahlen und obwohl es eine enorme Belastungspolitik für viele Menschen in unserem Land gegeben hat. Der Kernpunkt dessen ist ein zentraler Fehler Ihrer Wirtschaftspolitik. Man kann einen ausgeglichenen staatlichen Haushalt nur dann erreichen, wenn es gelingt, die Arbeitslosigkeit zu senken. Mit steigender Arbeitslosigkeit werden alle staatlichen Haushalte gesprengt. Daher ist die beste Politik für einen ausgeglichenen Haushalt Beschäftigung schaffen, Arbeitslosigkeit reduzieren und die Wirtschaft ankurbeln. Und genau das ist unsere Aufgabe, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kiss: Wie kurbelt man?)

Sie haben heute hier gesagt, Sie haben sich vor einem Jahr geirrt, Sie haben die Wirtschaftsprognosen zu positiv eingeschätzt. – Herr Bundeskanzler! Ich möchte Sie daran erinnern, dass Sie alle, die Sie im vergangenen Jahr vor der drohenden Rezession und vor einem Anstieg der Arbeitslosigkeit gewarnt haben, in das Eck der Schlechtmacher und Vaterlandsverräter gerückt haben.

Jetzt, da die gesamte Misere nicht mehr zu leugnen ist, weil wir in Österreich leider nahezu 200 000 Arbeitslose haben – mehr als 30 000 Jugendliche sind arbeitslos – und im Winter unter Umständen 300 000 Arbeitslose haben werden, und weil Sie offensichtlich den Eindruck haben, dass es am 24. November um Ihren eigenen Job geht, entdecken Sie auf einmal, dass auch die Jobs der anderen Österreicherinnen und Österreicher gefährdet sind. (Abg. Dr. Fekter: Das schmerzt Sie sehr, dass man etwas Gutes tut!) Das ist etwas zu spät, Herr Bundeskanzler, denn wir hätten uns Zigtausende Arbeitslose ersparen können. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Reden Sie mit den Leuten! Ich habe vor drei Tagen das Jugend-AMS in Wien, in der Neubaugasse, besucht. Ich empfehle jedem, dort einmal hinzugehen. Dort stehen junge Leute


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