Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 115. Sitzung / Seite 57

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sagen. (Abg. Dr. Khol: Wann war das?) – Das war vor vier oder fünf Jahren. (Abg. Auer: Das ist oft so bei Professoren! – Allgemeine Heiterkeit.)

Seit jener Zeit bringe ich – ungeachtet aller politischen Divergenzen – Frau Riess-Passer Wertschätzung entgegen. Ich habe das auch einmal schriftlich festgehalten, und zwar in einem Artikel für ein Handbuch von Herrn Khol – so kompliziert sind manchmal die politischen Verhältnisse in Österreich.

Frau Riess-Passer ist aber letztlich an einem Misstrauensvotum der Funktionärsbasis der FPÖ gescheitert, und wenn ich Sie, Frau Riess-Passer, heute richtig verstanden habe, haben Sie Ihren endgültigen Abschied aus der Politik erklärt. In gewisser Weise tut mir das Leid. Ich habe gern mit Ihnen gestritten. Wir waren selten einer Meinung, aber das ändert an meiner Wertschätzung nichts.

Die FPÖ-Basis – "Basis" sollte man, glaube ich, gar nicht sagen –, eine gewisse Funktionärsschicht der FPÖ hat Frau Riess-Passer, Herrn Grasser und so weiter das Misstrauen erklärt, und daran ist letztlich diese Bundesregierung gescheitert, sodass wir Ende November neu zu wählen haben werden.

Meine Damen und Herren! Ich möchte kurz zu einigen Fragen der Außenpolitik und der Innenpolitik Stellung nehmen, die von Bundeskanzler Schüssel gestreift wurden. In der Außenpolitik, namentlich in der Frage der EU-Erweiterung, hat die ÖVP keineswegs, so finde ich, jene Führungsrolle gespielt, die sie angesichts der historischen Bedeutung dieses Projektes hätte spielen müssen und sollen. Wir alle wissen, dass die Frage der EU-Erweiterung von Anfang an eine Art Sollbruchstelle in der Koalition zwischen Volkspartei und Freiheitlichen war. Kollege Khol hat neulich in einem Zeitungsinterview selbst zugegeben, dass das Anti-Tschechien-Volksbegehren, initiiert von wichtigen FPÖ-Landesorganisationen, haarscharf an einer Regierungskrise vorbeigeschrammt ist.

Ich halte es auch für kein besonderes Verdienst, wenn sich die ÖVP rühmt – ob zu Recht oder zu Unrecht, das lassen wir einmal dahingestellt –, siebenjährige Übergangsfristen im Bereich der Liberalisierung des Arbeitsmarktes vereinbart zu haben. Ich halte das für eine überzogene Maßnahme und jedenfalls für eine, die zu unseren gutnachbarlichen Beziehungen zu den Beitrittswerbern, zu den neu beitretenden Staaten nichts beigetragen hat. (Zwischenruf des Abg. Kiss. ) Wir, die Grünen, haben uns lange mit den Botschaftern der Beitrittswerber in Wien unterhalten und andere Kontakte gepflogen. Der Eindruck, den diese Frist in diesen Ländern hinterlassen hat, war eindeutig, Herr Kollege Kiss! (Abg. Kiss: Es müssen nicht sieben Jahre sein!)

Ich hätte mir mehr Leadership erwartet, mehr Leadership von einem Bundeskanzler, einer Partei, der Volkspartei, die sich früher einmal Europapartei genannt hat. In der Frage der EU-Erweiterung haben Sie sich von den Freiheitlichen anstecken lassen, in Bezug auf Zögerlichkeit, Betulichkeit, verzögernde Maßnahmen. – Herr Kollege Khol schüttelt das Haupt. Ich erinnere Sie nur daran: Kommissar Fischler legt unserer Überzeugung nach vernünftige Vorschläge zur Agrarreform innerhalb der erweiterten Union vor. Was tut die ÖVP? – Sie ist dagegen. (Abg. Dr. Khol: Nein, wir diskutieren!)

Minister Grasser hat in Brüssel nichts anderes zu tun, als im Zusammenhang mit der EU-Erweiterung um Groschen und Cents zu feilschen. Ich halte das für eine provinzielle Haltung, eine kleinkarierte Haltung. (Beifall bei den Grünen.) Natürlich muss ein Finanzminister auf den Schilling, auf den Euro schauen, aber für dieses Projekt, Herr Finanzminister Grasser, für die EU-Erweiterung muss man schon ein bisschen mehr Weitblick und Größe zeigen, als in dem zum Ausdruck kam, was Sie zuletzt in Brüssel vertreten haben. Wo war da Leadership des Bundeskanzlers, wo war da die Führungsrolle der ÖVP?

Möglicherweise – das ist ein positiver Aspekt des Platzens der Regierung – wird die Ratifizierung der EU-Erweiterung nun erleichtert, aber nur dann, Herr Kollege Khol, wenn die ÖVP nicht wieder mit der Haider-FPÖ liebäugelt, falls diese nach den Wahlen überhaupt noch existiert.


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