Auffallend absent in den Erklärungen von Herrn Dr. Khol und von Herrn Dr. Schüssel war die Frage des Parteienproporzes. Das ist eine wichtige Frage der Innenpolitik, die Österreich seit Jahrzehnten belastet, und es wundert mich auch gar nicht, dass Sie darüber kein Wort verloren haben. In den alten rot-schwarzen Tagen war es klar: Die einen fragten immer: Ist das einer von uns?, und die anderen fragten: Ist das eine von euch? – Nach dem rot-schwarzen Muster wurden die wichtigsten Posten im Bereich der öffentlichen Verwaltung, im Bereich der staatsnahen Institutionen besetzt. – "Neu regieren" hieß nichts anderes, als den rot-schwarzen Proporz durch den schwarz-blauen zu ersetzen. Nichts anderes war es. Brüderlich haben sich Freiheitliche und Volkspartei die – unter Anführungszeichen – "frei werdenden" Posten, die den Sozialdemokraten zugerechneten Posten aufgeteilt. Die FPÖ hat auf diese Weise endgültig ihren Ruf ruiniert, den sie früher einmal hatte, nämlich gegen den Parteienproporz, gegen den Postenschacher aufzutreten. Die Affäre Gaugg ist, so glaube ich, im Gedächtnis der so genannten kleinen Leute unvergessen. Gaugg hat diesen Ruf der FPÖ endgültig ruiniert – mit Rückendeckung des Landeshauptmannes von Kärnten, muss man dazusagen. (Beifall bei den Grünen.)
Ich bitte auch alle Wählerinnen und Wähler, sich zu überlegen, was es bedeuten würde, wenn es allenfalls nach den Neuwahlen am 24. November zu einer Neuauflage von Rot-Schwarz kommt. Dieses rot-schwarze Machtkartell im Bereich der öffentlichen Verwaltung, im Bereich der öffentlichen Institutionen kennen wir zur Genüge. Wir, die Grünen, wollen eine Fortsetzung dieses Machtkartells nicht! Die bestqualifizierte Frau, der bestqualifizierte Mann soll den jeweiligen Posten bekommen; der familiäre, parteipolitische Hintergrund interessiert uns nicht! (Beifall bei den Grünen.)
Zum Wirtschaftsstandort, meine Damen und Herren: Natürlich wird bei Abschiedsreden des Bundeskanzlers und anderer Vertreter der Regierungsparteien beschworen, was nicht alles passiert sei, aber die Fakten liegen auf dem Tisch: Die Arbeitslosigkeit ist die höchste seit Jahren, speziell die Jugendarbeitslosigkeit ist sehr stark angestiegen. Wir treffen heute und morgen im Parlament Notmaßnahmen, deren Wirksamkeit erst später zu beurteilen sein wird. Tatsache ist auch, dass die Langzeitarbeitslosigkeit speziell bei älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ungelöst ist. Es stimmt schon, dass in den meisten Ländern der Europäischen Union die Verhältnisse noch schlechter sind. (Abg. Böhacker: Wesentlich!) – Zum Teil wesentlich schlechter! Aber erklären Sie das, Herr Kollege Böhacker von der FPÖ, einmal den Arbeitslosen! Diese leben nicht woanders, diese leben hier und jetzt! (Abg. Böhacker: Wir handeln ja auch! Wir setzen ja Maßnahmen! Sie reden nur davon!)
Ja, Sie setzen heute Maßnahmen, und Sie haben in den letzten zwei Jahren die Mittel der Arbeitslosenversicherung und damit der aktiven Arbeitsmarktpolitik ausgeräumt, das wissen Sie ebenso gut wie ich. Nicht weniger als 15 Milliarden Schilling wurden damals von den Mitteln der Arbeitsmarktverwaltung in die Pensionen transferiert. Damit haben Sie auch die finanziellen Mittel des AMS verringert. Sie haben zugelassen, dass weniger Qualifizierungsmaßnahmen, weniger Kurse angeboten werden können und dass weder die Jugendlichen noch die älteren Arbeitnehmer eine echte Qualifizierung beziehungsweise Requalifizierung bekommen. Das wissen Sie ebenso gut wie ich. (Zwischenruf des Abg. Böhacker. )
Sie wissen ebenso gut wie ich, dass wir im Bereich des lebenslangen Lernens, speziell der Requalifikation älterer Frauen und Männer noch in den Kinderschuhen stecken und dass nicht zuletzt die EU-Kommission Österreich, genauer gesagt die Politik der Bundesregierung in diesen Tagen auf das Heftigste kritisiert hat.
Ich glaube, dass Ihnen in diesen Bereichen Ihre Ideologie eine falsche Realität vorgetäuscht hat. Es ist eben nicht mehr so, dass man die Frage der Lehrlingsausbildung und die Frage der Bildung und Weiterbildung von bereits im Beruf befindlichen Menschen den Firmen beziehungsweise dem Markt anvertrauen kann. Das braucht eine gewisse staatliche Organisation und staatliche Unterstützung. Bei den Lehrlingen ist es genauso wie bei den älteren Herrschaften, so sage ich einmal. Und das ist aus guten Gründen so, die ich jetzt nicht näher ausführen kann.