Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 15. Sitzung / Seite 38

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zwar einiges anders gemacht, aber darüber hätte man reden können. Aber das kann man nicht, wenn man vorher vom Finanzminister – wie heißt es? – „genasführt“, also an der Nase herum­geführt wird, wenn er uns am Schmäh gehalten hat.

Was soll das? Ist das brillant? Wenn man Daten verwendet, die der budgetären Wahrheit dia­metral widersprechen, das ist brillant? – Mir fallen, um das zu charakterisieren, schon Worte ein, aber diese Worte haben eine bedauerliche Ähnlichkeit mit jenen, für die gestern ein Ab­ge­ord­neter einen Ordnungsruf erhalten hat. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Aber mindestens genauso schlimm finde ich das, was uns im Bereich Forschung und Entwick­lung, Bildung und Wissenschaft zugemutet wird. Kollege Gusenbauer hat es schon angedeutet, ich möchte es jetzt noch, wenn Sie es so wollen, auswalzen.

Ich war zunächst wirklich beeindruckt von dem, was der Herr Finanzminister sagte, nämlich: kla­re Prioritäten für den Zukunftsbereich Bildung und Wissenschaft, 8,2 Milliarden € 2003, 9 Mil­li­arden € 2004. – Da denkst du dir: Wumm! 800 Millionen € plus! Endlich! So oft enttäuscht, aber jetzt endlich! Dann schaust du im Tabellenteil der Budgetrede unter „funktionelle Glie­de­rung der Ausgaben“ nach, und da denkst du dir: Wow! Der Anstieg von 2003 auf 2004 be­trägt ja noch mehr als 800 Millionen €! Da fragst du dich ja schon, ob das die Absorptions­fähigkeit des Sektors nicht schon erschüttert. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Naiv, kann ich nur sagen! Dann gehst du ein bissel ins Detail, lässt dir von Kollegen, die sich da aus­kennen, helfen, schaust nach unter Titel 149 und siehst: 734 Millionen € auf der Ausgaben­sei­te und auf der Einnahmenseite neu, zusätzlich. – Ich komme darauf gleich zurück.

Tatsächlich erhalten die Unis 2004 einen Betrag, der fast gleich hoch, der etwas höher ist als jener von 2002. Dabei muss man aber schon berücksichtigen, dass die Unis inzwischen Stu­dien­bei­träge im Ausmaß von rund 150 Millionen erhalten und sie eigentlich mindestens um die­sen Be­trag mehr erhalten müssten, sodass man jetzt daraus schließen muss: Im Gegenteil, die öffentli­chen Mittel wurden durch die Studienbeiträge substituiert statt erhöht, wie seinerzeit verspro­chen wurde. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Jetzt frage ich Sie, Herr Kollege Stummvoll, und alle anderen Wirtschaftstreibenden oder jene, die sich in diesem Bereich halbwegs auskennen, im Gegensatz zu mir: Wie beurteilen Sie schlich­te Maßnahmen der Bilanzverlängerung, wenn die auf eine Weise interpretiert werden, wie es Finanzminister Grasser gestern getan hat?

Nehmen wir folgendes Beispiel: Ein Unternehmer, ein Kaufmann, findet, er hat 1 Million € zu we­nig in der Kasse oder auf der Bank. Er geht zur Bank, nimmt einen Kredit auf und kriegt die Million, hat diese jetzt auf seinem Bankguthaben, sozusagen links in der Bilanz, und rechts steht natürlich die 1 Million an zusätzlichen Verbindlichkeiten. An seinem Vermögen ändert sich nichts. Jeder weiß das. Seine Netto-Vermögensposition ist völlig unverändert. Dann geht dieser Unternehmer, dieser Kaufmann, her und behauptet – nehmen wir das nur einmal an! –, er stün­de jetzt um 1 Million € besser da als zuvor. Er verwendet dafür nur die linke Seite seiner Bilanz, die Aktivseite. (Abg. Öllinger: Das ist ein Buchhaltungsskandal, haben wir gestern gehört!) Wenn dieser Kaufmann – und da werden Sie mir zustimmen, Herr Stummvoll – anderen gegen­über argumentativ so vorgeht, dann steht er unter dringendem Betrugsverdacht.

Wenn er das selbst glaubt, wie würden Sie ihn dann bezeichnen? Als brillant? (Heiter­keit und Bei­fall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich muss dem hinzufügen: Ich kenne keine solchen Unternehmer, wohl aber kenne ich einen Fi­nanz­minister, der uns so etwas zumutet. Er bucht 734 Millionen € links zu, auf der Ausga­ben­seite, und gleichzeitig bucht er 734 Millionen € auf der Einnahmenseite neu, zusätzlich. In der Summe ändert sich nichts. – Erster Schritt.

Zweiter Schritt: Dann schaut er nur auf die Ausgabenseite, auf die linke Seite, und sagt: Wow, 734 Millionen € plus! Um so viel sind die Ausgaben rein optisch gestiegen. Da hat er Recht!


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