Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 20. Sitzung / Seite 174

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die anderen sollen nach dem Prinzip: „Friss Vogel oder stirb!“ das Ganze einfach an­nehmen. Das ist der kleine, aber feine Unterschied, und das ist Demokratieverständnis, Kollege Murauer! Vielleicht könnten Sie einmal in die Steiermark auf ein Seminar fah­ren. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe ein ähnliches Problem wie Frau Kollegin Riener: Mir sind nämlich auch ein paar Ansprechpartner abhanden gekommen. Gott sei Dank, ist einer hier, nämlich Kol­lege Spindelegger. Herr Kollege Spindelegger, Sie haben heute in Ihrer Rede von „so­zialer Dimension“ gesprochen, vom „Härteausgleich“. Es wurde heute bereits gesagt: Dieser Härteausgleich wird dann notwendig, wenn man zuvor die soziale Dimension verlässt, dann hat man nämlich Härten auszugleichen. Damit bringen Sie eines zu­stande: Anstatt eines Rechtsanspruchs schaffen Sie Abhängigkeit und Bittstellerei! Und das ist genau das, was Sie in Wirklichkeit vor Augen haben.

Ich komme jetzt nicht zum Vier-Säulen-Modell, sondern ich bin noch immer beim Drei-Säulen-Modell, und diese dritte Säule, meine sehr geehrten Damen und Herren, spe­ziell von der Österreichischen Volkspartei, wird ja in der Zwischenzeit im Fernsehen und in der Werbung schon bebildert, und die Bildersprache ist eine ganz besondere. Eine Versicherungsgesellschaft hat sie Ihnen entweder vorgegeben –und da muss ich eigentlich in diese Richtung schauen (der Redner wendet sich der Regierungsbank zu), denn Herr Bundesminister Bartenstein hat sich da besonders hervorgetan – oder Sie haben der Versicherung die ideologischen Scheuklappen vorgegeben, denn die Bilder sehen so aus: Man sieht, wie jemandem ein bunter Schal überreicht wird. – Man muss dazu sagen: Dieser Schal wird von einer Dienstbotin überreicht. – Nächstes Bild: Man sieht ein wunderschönes großes Haus, also eine richtig schmucke „Arbeiterwohnstät­te“, so mit 28 Zimmern und Bediensteten. Vor dem Haus steht eine Riesenlimousine, der Chauffeur hält den Wagenschlag auf und lässt die betroffene Person einsteigen. Dann sieht man den Chauffeur freundlich lächelnd fahren. Und was sieht man dann? – Einen wunderbaren, neuen, modernen Hörsaal, der nur sehr schütter besetzt ist, in dem die Studentinnen und Studenten genügend Platz haben, und dann kommt eine Dame, eine gut gekleidete, gepflegte ältere Dame, bestimmt schon im Pensionsalter, mit einer Aktenmappe, die ihr zuvor der Chauffeur gereicht hat, herein, setzt sich hin und wohnt der Vorlesung bei. Und was soll das Ganze? Der Spruch heißt: „Das schöne am Reichsein ist, man kann tun, was man will!“ Und genau das ist Ihr Drei-Säulen-Modell, denn diese Dame kann sich die dritte Säule leisten. – Der „Hackler“ in der Stahlbude kann es sich nicht leisten, der Hilfsarbeiter am Bau kann es sich nicht leis­ten, nicht einmal der kleine Angestellte kann es sich leisten. (Abg. Murauer: Der macht es jetzt schon!) Aber das, Herr Kollege, ist Ihre Alternative, indem Sie die erste Säule, die in Österreich so wunderbar funktioniert, abbauen und ruinieren.

Dafür, meine sehr geehrten Damen und Herren, werden sich auch Ihre Wählerinnen und Wähler herzlichst bedanken, beispielsweise die Beschäftigten in der Land- und Forstwirtschaft. Ich hätte gerne Herrn Präsidenten Winkler um seine Positionierung gefragt, denn er ist ja immerhin Präsident des Österreichischen Landarbeiterkammer­tages, wie er denn seinen Kolleginnen und Kollegen vorrechnet, wie sie 45 Beitragsjahre zusammenbringen können. Auf Grund der saisonellen Beschäftigung, auch auf Grund der witterungsbedingten Nicht-Beschäftigung können diese Mitarbeite­rinnen und Mitarbeiter gar nie in den Genuss der vollen Pension kommen. Und das, meine sehr geehrten Damen und Herren, läuft bei Ihnen alles unter dem Titel „soziale Gerechtigkeit“. – Gute Nacht, Österreich! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Mag. Kogler: Bravo!)

20.07

 


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