Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 20. Sitzung / Seite 276

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auch kontraproduktiv, weil, wie das Programm zeigt, für wichtige Investitionen kein müder Euro – oder vielleicht einige müde Euro, aber die sind zu wenig, um eine vitale Bundesregierung zu präsentieren – übrig bleibt. (Zwischenruf des Abg. Mag. Mol­terer.) – Ich weiß, durch Ihre gesunde Ernährung werden Sie wahrscheinlich vital sein; das ist auch ein wichtiger Punkt der Gesundheitspolitik.

Gehen wir noch einmal zu den Kosten zurück. Was gewünscht ist – das interessiert vielleicht auch das Publikum –, sind junge, gesunde, dynamische, wohlhabende Men­schen, die sind der Regierung natürlich willkommen, weil sie kaum Kosten verursa­chen. Aber was ist, wenn Sie dieser Gruppe nicht angehören, wenn Sie zu den Alten, chronisch Kranken gehören? (Abg. Dr. Brinek: Da haben die Ärzte Freude!)

Da heißt es immer, es wird alles garantiert. Was man aber völlig vergisst, ist, dass über 90 Prozent der Ausgaben in die Krankenversorgung fließen, aber Krankenversorgung nur ein kleiner Sektor der Gesundheitspolitik ist. Krankheit ist immer das Resultat vieler Risken, die sich summieren müssen, um krank zu werden.

Was ist aber mit dem Geld für Gesundheitsstärkung, Gesundheitsvorsorge? – Da lie­gen wir prozentuell schlechter, gemessen am gesamten Gesundheitsbudget, als in der Entwicklungspolitik, obwohl wir da schon peinlich weit hinten liegen. (Abg. Mag. Hakl: Die größte Steigerung aller Zeiten!) – Ja, „größte Steigerung“! Frau Hakl, was bei Ihnen groß ist, muss bei mir noch nicht groß sein. (Allgemeine Heiterkeit. – Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Kann sein!) Kann sein, ja.

Aber wenn man nur auf kurzfristige Sparmaßnahmen aus ist – es sollte 1 Milliarde € im Gesundheitsbereich eingespart werden –, kann man natürlich nichts tun, um graue Flecken auf der Landkarte zu beseitigen, und diese existieren in der Rehabilitation, in der Psychotherapie, bei der Versorgung von chronisch Kranken und alten Menschen.

19 Prozent aller Invaliditätspensionen entstehen auf Grund von psychiatrischen oder psychotherapeutischen Diagnosen. Was ist getan worden? – Psychotherapie auf Kran­kenschein gibt es immer noch nicht!

Ich habe gesehen, wie 90-jährige Frauen auf meiner Station in Innsbruck nicht in ein Heim zu bekommen waren, wie verwirrt sie eingeliefert worden sind, durch die Technik der Medizin eigentlich immer verwirrter wurden – es hat sich nicht gebessert –, weil die Versorgungsstrukturen in den Pflegeheimen so schlecht sind, weil man an qualitativ gut ausgebildetem Personal spart. Gleichzeitig reden Sie davon, dass 30 000 Arbeits­plätze im Gesundheitsbereich möglich sind, aber die Bundesregierung und die Landes­hauptleute zahlen sie nicht! Das heißt, da fehlt es hinten und vorne. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Es ist auch die Ideologie, dass der, der krank ist, selbst schuld ist, dass die, die krank ist, schauen soll, wer ihres Glückes Schmied ist – sie nämlich und nicht die Bundesre­gierung. Das ist schon eine eigenartige Betrachtung von Krankheit, denn Sie sollten wissen – ich sage das jetzt schon zum 100. Mal –, dass vorwiegend Einkommen, Bil­dung, Wohn- und Arbeitsverhältnisse sowie die Umwelt darüber entscheiden, ob je­mand und wie häufig krank wird, wie lange er lebt. Und was ist diesbezüglich in der Gesundheitspolitik geschehen? – Nichts! Ich mache nicht Rauch-Kallat einen Vorwurf, denn sie hat das Programm nicht geschrieben, sondern dem, der das Programm schreibt, und der sitzt auch hinter mir. (Ruf bei der ÖVP: Wer ist denn das?)

Das Konzept der Selbstbehalte ist natürlich auch nur logisch. Wen trifft das? – Natür­lich die Kranken und die durch weniger Bildung, weniger Einkommen, schlechte Wohn- und Arbeitsverhältnisse Benachteiligten. Es trifft ausschließlich die Kranken und ist kein Umverteilungsinstrument, wie es das Solidaritätsprinzip garantieren sollte.

 


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