Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 22. Sitzung / Seite 187

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

viele Frauen, viele Bergbauern und viele andere Bevölkerungsgruppen gehören. Ich glaube aber nicht, dass diese Armut zum Anlass genommen werden kann, um gegen die Finanzierung und gegen die Verhinderung der drohenden Verarmung der Kultus­gemeinde zu reden, und ich ersuche Sie daher, Herr Abgeordneter Scheuch, sich zu entschuldigen. (Abg. Wittauer: Noch einmal!)

Wenn wir über Generationen sprechen, dann glaube ich, dass wir gerade in Österreich mit vorangegangenen Generationen, mit unserer Verantwortung für die Geschichte und unserer Verantwortung für die Aufarbeitung dieser Geschichte in der heutigen Genera­tion und mit der Rechenschaft dafür, wie wir damit umgegangen sind, gegenüber ande­ren und kommenden Generationen sehr genau umgehen müssen, und möchte daher nicht haben, dass hier Schlampigkeiten, Missverständnisse oder Schlimmeres entste­hen, und ich ersuche Sie daher besonders eindringlich, Herr Abgeordneter Scheuch, sich für Ihre Äußerung zu entschuldigen.

Zum Bereich soziale Sicherheit geht von dieser Regierung manchmal ein merkwürdi­ges Verständnis aus. Soziale Sicherheit ist offensichtlich etwas, was von der Regie­rung im Wesentlichen als Almosen vergeben wird und nicht als Rechtsanspruch auf Existenzsicherung in einer entwickelten Gesellschaft gelten kann. Wie sonst könnten wir uns erklären, dass in Österreich immer mehr Menschen unter die Armutsgrenze rutschen, ja dass inzwischen sogar nicht einmal mehr Arbeit vor Armut schützt?

Herr Vizekanzler – oohps, weg ist er! Der Sozialbericht, der in Ihrem Haus erarbeitet wurde, stellt fest, dass wir inzwischen 57 000 Menschen in Österreich haben – im Jahr 2002 war das –, die, obwohl sie einer Vollbeschäftigung nachgehen, unter die Armutsgrenze fallen. Mit den dazugehörigen Familienangehörigen sind das 178 000 Menschen, von denen man sagen kann: Selbst Arbeit, selbst viel Arbeit schützt vor Armut nicht! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Und was macht die Regierung in einer solchen Situation? – Sie beschließt, die Not­standshilfe, die bislang ein Rechtsanspruch war, abzuschaffen. Ein Rechtsanspruch, der jenen, die in Arbeitslosigkeit stehen, eine Überbrückung bis zu einem hoffentlich bald zu findenden neuen Job gewährt, die Notstandhilfe, soll abgeschafft und in die Sozialhilfe übergeführt werden.

Da gibt es aber einen wesentlichen Unterschied, und zwar strukturell: Die Sozialhilfe ist etwas, worum man ansuchen muss – also wieder die Bittstellerei und der Gnadenakt, das Almosengeben durch den Staat –, und – Tücke im Detail, und das Detail ist sehr groß in diesem Fall – die Sozialhilfe ist eine Angelegenheit der Länder und Gemein­den, sie wird in unterschiedlichstem Ausmaß quer durch Österreich gewährt, und auf jeden Fall wird in den Gemeinden und in den Ländern in den nächsten Jahren nicht mehr Geld für Sozialhilfe zur Verfügung stehen.

Das heißt, der Bund entledigt sich der Aufgabe und finanziellen Verpflichtung, Not­standshilfe zu gewähren, und überträgt das den ebenfalls mittellosen Ländern und Gemeinden, die gar nicht die Absicht haben, die Sozialhilfe so substantiell aufzusto­cken, dass sie die Armut finanziell auch nur einigermaßen auffangen könnte. (Beifall bei den Grünen.)

Wenn ich dann noch lese, dass auch die Mindestpension – was laut Ihrem Entschlie­ßungsantrag angeblich kommt – ebenfalls den Ländern und deren Sozialhilfe überant­wortet wird, dann kann ich mir schon vorstellen, was das für die Mindestpension heißt. Sie ist verschoben auf den Sankt-Nimmerleins-Tag und wird sicher nicht gemeinsam mit einer Harmonisierung des Pensionssystems diskutiert werden können, die ich im Übrigen auch für noch lange nicht gegessen halte, wenn ich mir das so ansehe.

 


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite