9.42
Abgeordneter Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich werde die Gelegenheit nutzen, im ersten Teil meiner Rede natürlich auf die Agrardebatte einzugehen. Kollege Grillitsch, wir stehen mitten in einem Paradigmenwechsel, es wäre an der Zeit, dass auch der Österreichische Bauernbund die Zeichen der Zeit erkennt und diesen Paradigmenwechsel wirklich wahrnimmt (Abg. Grillitsch: Haben Sie das verschlafen? Haben Sie geschlafen bis jetzt?) – einen Paradigmenwechsel, der in einer notwendigen Neuausrichtung der europäischen Agrarpolitik begründet ist, die von jenen Grundsätzen abgeht, die in den Römer Verträgen der Europäischen Union festgelegt sind.
Damals, in den sechziger Jahren, ging es noch primär um die Produktionsausweitung, die Lebensmittelversorgung stand an oberster Stelle der agrarpolitischen Notwendigkeiten, und heute stehen wir an einer ganz anderen Kreuzung (Abg. Grillitsch: Wo waren Sie da letztes Jahr?), Herr Kollege Grillitsch. Und diese Kreuzung heißt Qualitätsproduktion unserer Lebensmittel im Interesse unserer Konsumentinnen und Konsumenten, aber auch zur Sicherung entsprechender Ressourcen wie Wasser, Boden und gesunde Umwelt. (Beifall bei den Grünen.)
Die zweite Ebene, auf der sich dieser Paradigmenwechsel abspielt und manifestiert, sind die WTO-Verhandlungen. Auf WTO-Ebene geht es um eine harte Auseinandersetzung zwischen der Europäischen Union auf der einen Seite und einem Block von Staaten, der von den Vereinigten Staaten von Amerika angeführt wird, auf der anderen Seite, wobei ganz verschiedene Sichtweisen bezüglich Lebensmittelproduktion und Landwirtschaft vorherrschen.
Die europäische Sichtweise geht davon aus, dass Lebensmittelqualität in Zukunft ein zentraler Bestandteil von Produktionsmethoden sein muss. Zeigen lässt sich diese Auseinandersetzung ganz konkret beim Hormonfleisch-Streit, nämlich beim Importstopp von Hormonfleisch durch die Europäische Union, und auch in einem anderen – ebenso zentralen und wichtigen – Gebiet, nämlich im Bereich gentechnikfreier Lebensmittel. Da liegt ja eine Klage der USA gegen die Europäische Union vor, dass das diesbezügliche Gentechnik-Moratorium beendet werden soll. Dagegen treten wir natürlich ganz massiv auf, und das ist auch die österreichische Position, wie wir im Ständigen EU-Unterausschuss in einem Vier-Parteien-Antrag beschlossen haben.
Der zweite Knackpunkt, an dem sich diese
neue Ausrichtung der europäischen Agrarpolitik zeigen muss, ist die derzeit
anstehende Reformdebatte, die sich seit einem Jahr hinzieht, wobei die
Positionierung des Österreichischen Bauernbundes und der ÖVP alles andere als
vorbildlich ist. Sie ist mangelhaft und war gekennzeichnet von einer
Verunsicherung der Bäuerinnen und Bauern über die Ziele, die Kommissar Fischler
mit dieser Reform ins Auge gefasst hat. (Abg. Grillitsch: Lautet Ihre
Formel auch „kürzen“? Sagen Sie es offen!)
Kollege Grillitsch, die Totalreform ist aus unserer Sicht notwendig, die Totalreform ist ein Gebot der Stunde, weil ganz einfach mit der jetzigen Agrarpolitik kein Arbeitsplatz in der Landwirtschaft gesichert werden kann, sondern der Strukturwandel weiter massiv voranschreitet.
Der entscheidende Knackpunkt bei dieser Reformdebatte – heute Nachmittag, Herr Bundesminister, werden Sie ja wieder in Luxemburg verhandeln – ist derzeit die so genannte Entkoppelung, das heißt, dass zusätzliche Mittel im Bereich der Marktordnung, Prämienzahlungen im Bereich der Marktordnung in Zukunft nicht mehr an die Produktion gekoppelt sind, sondern betriebsbezogen an die Landwirte ausgezahlt werden sollen.