Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 24. Sitzung / Seite 21

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9.42

Abgeordneter Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich werde die Gelegenheit nutzen, im ersten Teil meiner Rede natürlich auf die Agrardebatte einzugehen. Kollege Grillitsch, wir stehen mitten in einem Paradigmenwechsel, es wäre an der Zeit, dass auch der Österreichische Bauernbund die Zeichen der Zeit erkennt und diesen Paradigmen­wechsel wirklich wahrnimmt (Abg. Grillitsch: Haben Sie das verschlafen? Haben Sie geschlafen bis jetzt?) – einen Paradigmenwechsel, der in einer notwendigen Neuaus­richtung der europäischen Agrarpolitik begründet ist, die von jenen Grundsätzen ab­geht, die in den Römer Verträgen der Europäischen Union festgelegt sind.

Damals, in den sechziger Jahren, ging es noch primär um die Produktionsausweitung, die Lebensmittelversorgung stand an oberster Stelle der agrarpolitischen Notwendig­keiten, und heute stehen wir an einer ganz anderen Kreuzung (Abg. Grillitsch: Wo waren Sie da letztes Jahr?), Herr Kollege Grillitsch. Und diese Kreuzung heißt Quali­tätsproduktion unserer Lebensmittel im Interesse unserer Konsumentinnen und Kon­sumenten, aber auch zur Sicherung entsprechender Ressourcen wie Wasser, Boden und gesunde Umwelt. (Beifall bei den Grünen.)

Die zweite Ebene, auf der sich dieser Paradigmenwechsel abspielt und manifestiert, sind die WTO-Verhandlungen. Auf WTO-Ebene geht es um eine harte Auseinander­setzung zwischen der Europäischen Union auf der einen Seite und einem Block von Staaten, der von den Vereinigten Staaten von Amerika angeführt wird, auf der anderen Seite, wobei ganz verschiedene Sichtweisen bezüglich Lebensmittelproduktion und Landwirtschaft vorherrschen.

Die europäische Sichtweise geht davon aus, dass Lebensmittelqualität in Zukunft ein zentraler Bestandteil von Produktionsmethoden sein muss. Zeigen lässt sich diese Auseinandersetzung ganz konkret beim Hormonfleisch-Streit, nämlich beim Im­port­stopp von Hormonfleisch durch die Europäische Union, und auch in einem ande­ren – ebenso zentralen und wichtigen – Gebiet, nämlich im Bereich gentechnikfreier Lebens­mittel. Da liegt ja eine Klage der USA gegen die Europäische Union vor, dass das dies­bezügliche Gentechnik-Moratorium beendet werden soll. Dagegen treten wir natürlich ganz massiv auf, und das ist auch die österreichische Position, wie wir im Ständigen EU-Unterausschuss in einem Vier-Parteien-Antrag beschlossen haben.

Der zweite Knackpunkt, an dem sich diese neue Ausrichtung der europäischen Agrar­politik zeigen muss, ist die derzeit anstehende Reformdebatte, die sich seit einem Jahr hinzieht, wobei die Positionierung des Österreichischen Bauernbundes und der ÖVP alles andere als vorbildlich ist. Sie ist mangelhaft und war gekennzeichnet von einer Verunsicherung der Bäuerinnen und Bauern über die Ziele, die Kommissar Fischler mit dieser Reform ins Auge gefasst hat. (Abg. Grillitsch: Lautet Ihre Formel auch „kür­zen“? Sagen Sie es offen!)

Kollege Grillitsch, die Totalreform ist aus unserer Sicht notwendig, die Totalreform ist ein Gebot der Stunde, weil ganz einfach mit der jetzigen Agrarpolitik kein Arbeitsplatz in der Landwirtschaft gesichert werden kann, sondern der Strukturwandel weiter mas­siv voranschreitet.

Der entscheidende Knackpunkt bei dieser Reformdebatte – heute Nachmittag, Herr Bundesminister, werden Sie ja wieder in Luxemburg verhandeln – ist derzeit die so genannte Entkoppelung, das heißt, dass zusätzliche Mittel im Bereich der Marktord­nung, Prämienzahlungen im Bereich der Marktordnung in Zukunft nicht mehr an die Produktion gekoppelt sind, sondern betriebsbezogen an die Landwirte ausgezahlt wer­den sollen.

 


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