Herren, und der Ehrlichkeit halber sollte
man das, denke ich, auch anerkennen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Rossmann.)
Mir wäre es aber auch durchaus recht, wenn wir in den Fragen der Bildungspolitik nicht nur über das Budget sprächen, sondern uns tatsächlich – Kollege Niederwieser hat das teilweise getan – konkret auch bildungspolitischen Fragen stellten. Sie haben hier ein paar interessante Punkte angesprochen, auf die ich eingehen möchte.
So fordern Sie etwa Ganztagsschulformen ein – insbesondere Ihre Stadtschulratspräsidentin in Wien ist ja eine Vorkämpferin dafür – und stellen dann hier die Behauptung auf, dass es praktisch in allen europäischen Staaten, insbesondere in den erfolgreichen, solche ganztägigen Schulformen gebe.
Ganztägige Schulformen gibt es auch in
Österreich. Uns ist es aber wesentlich – und ich denke, dass es möglich
sein muss, sich hier auch politisch zu finden –, dass solch eine
ganztägige Schulform, solch ein Angebot auf Nachmittagsbetreuung auf freiwilliger
Basis erfolgen muss und dass solch eine ganztägige Schulform dort
angeboten werden muss, wo es den Bedarf dafür gibt. (Abg. Dr. Niederwieser:
Ich habe ja gesagt, in den verschiedenen Formen!) Außerdem muss es ein
flexibles Modell sein, bei dem man auch die Möglichkeit hat, Kinder nicht über
ein ganzes Semester oder gar ein ganzes Jahr in die Nachmittagsbetreuung zu
geben, sondern etwa auch für zwei oder drei Wochen. Das ist ein Modell, bei dem
wir uns finden können. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Rossmann.)
Eine ganztägige Schulform, zu der Kinder
verpflichtet werden, gibt es meines Wissens nirgends in Europa. Selbst in sehr
erfolgreichen Bildungssystemen, etwa jenem in Finnland – wir haben uns das
sehr genau angeschaut, Kollege Brosz war damals auch dabei –, gibt es ein
ganztägiges Betreuungsangebot, aber keinesfalls eine Verpflichtung der
Jugendlichen. Das ist aber genau das, was Ihre Stadtschulratspräsidentin
verlangt. Und da sage ich Ihnen: Das wird mit uns nicht zu machen sein! (Beifall
bei der ÖVP.)
Im Übrigen zeigt auch die PISA-Studie sehr
eindeutig, dass es nicht die Organisationsform der Schulen ist, die dafür
ausschlaggebend ist, ob ein Bildungssystem erfolgreich ist oder nicht. Es gibt
eine Reihe von Faktoren, die ausschlaggebend sind. Sie wollen – so
zumindest die Wiener Stadtschulratspräsidentin – die Hauptschulen
abschaffen. Aber ich sage Ihnen, wir stehen deshalb dafür nicht zur Verfügung,
weil wir eine positive Erfahrung mit den Hauptschulen haben. (Beifall bei
der ÖVP.)
Etwa 50 Prozent der Maturantinnen und Maturanten in Österreich kommen über die Hauptschulen. Wir haben hervorragende Hauptschulen, insbesondere im ländlichen Raum, wir haben allerdings – das gebe ich Ihnen zu – in den Ballungszentren ein Problem; so etwa in Wien, wo wir an den meisten Hauptschulen keine ersten und zweiten Leistungsgruppen mehr haben, sondern nur noch dritte Leistungsgruppen. Da werden die Hauptschulen zu Sackgassen, meine Damen und Herren, und das ist entgegen der Bildungspolitik, die wir anstreben.
Wir wollen, dass hier die richtigen Antworten gegeben werden. Ihre Antwort auf die Problematik der städtischen Hauptschulen ist, die Hauptschulen abzuschaffen und eine Gesamtschule zu etablieren, eine gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen in der AHS-Unterstufe, und zwar undifferenziert. Das ist nicht unser Bildungsentwurf. Wir wollen ein differenziertes Bildungssystem, wir wollen ein Bildungssystem, in dem nach Neigungen, nach Talenten unterschieden wird. Wir sehen das ja deutlich gerade auch in Finnland oder in Schweden, wo es Schulen gibt, die etwa nach dem Skolverket-Modell entwickelt werden, oder wo es erfolgreiche Privatschulen nach dem Modell des ehemaligen Unterrichtsministers Per Unckel gibt, also in Wahrheit ein differenziertes Modell.