Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 26. Sitzung / Seite 9

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einfachgesetzliche Materien in den Verfassungsrang gehoben hat, nur um die Kontrolle des Verfassungsgerichtshofes auszuschalten. Auch diese Materien werden wir über­prüfen und wieder auf den wahren Gehalt im Rahmen des Stufenbaus der Rechtsord­nung zurückführen müssen.

Also eine Herausforderung, eine echte Herausforderung – nicht nur an die vielen Teil­nehmer dieses Konvents, sondern auch an alle anderen, die sich mit diesen wichtigen Fragen des Verfassungsrechts in der Zukunft auseinander setzen werden!

Aber ich bin guter Hoffnung, dass es, wenn wir diese Prinzipien auch hier im Hohen Haus beachten, wirklich gelingen kann, ein neues, ein epochales, ein zukunftsweisen­des Verfassungswerk zu schaffen – und das wäre mehr, als tagespolitisch einmal die Schlagzeilen zu bestimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen, der ÖVP und bei Abgeord­neten der SPÖ.)

20.38

 


Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig. – Bitte.

 


20.38

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Die Grünen begrüßen grundsätzlich selbstverständlich das Vorhaben einer großen Verfassungsre­form. Wir möchten heute aber auch einige Warnungen mit auf den Weg geben, und wir werden auch dem Gesetz heute leider nicht zustimmen können. (Abg. Scheibner: So fängt es schon an!) Ich möchte einige Punkte dieser Kritik, die bereits mit der Einrich­tung begonnen hat, herausgreifen, und auch die jüngste Entwicklung, die uns diese Woche beziehungsweise heute zur Ablehnung motiviert hat, genau begründen.

Wir glauben, dass es einen Unterschied gibt zwischen einer EU-Verfassung, einem EU-Konvent und einer österreichischen Verfassungsreform: Das Wort „Konvent“ kommt aus dem Französischen (Abg. Großruck: Aus dem Lateinischen: „convenire“: „zusammenkommen“! – Herr Präsident, stimmt es?) und ist gebildet worden als Be­zeichnung einer gesetzgebenden Versammlung, die grundlegende Dinge ausarbeitet in einem Umfeld, in dem es noch keinen Verfassungsgesetzgeber gibt.

Das ist auf der europäischen Ebene der Fall. In Österreich haben wir einen Verfas­sungsgesetzgeber, und wir hätten begrüßt, dass der Nationalrat diese Verfassungsre­form mit einer Enquete-Kommission auf einer ganz klaren parlamentarischen Basis auf die Reise schickt – und dass das nicht im Rahmen eines Gründungskomitees, vom Bundeskanzler einberufen, als Einrichtung sui generis beschrieben wird. (Beifall bei den Grünen.)

Wir haben einen Verfassungsgesetzgeber, wir haben ein Verfahren. Durch diese Art der Konstituierung hat das Ganze für uns schon falsch begonnen.

Das Zweite betrifft die Aufgaben. – Es sind einige dieser Vorschläge, die auf dem Tisch liegen, völlig unbestritten, so die Analyse der Staatsaufgaben, eine umfassende Auf­gabenkritik, die Neuordnung der Kompetenzen – seit dem EU-Beitritt Österreichs drin­gend notwendig! –, die Überprüfung der Struktur des staatlichen Handelns, die Grund­züge der Finanzverfassung – das ist schon angesprochen worden –, die Zusammen­führung von dem, der einhebt, und dem, der auch ausgibt, sowie eben ein neuer Ver­fassungstext, denn es gibt über tausend Bestimmungen und Verfassungsgesetze, die nicht wie in anderen Länder in einer inkorporierten Verfassungsurkunde gemeinsam abgelegt, sondern völlig zerstreut sind.

Was uns besonders am Herzen liegt und sehr wichtig ist, ist ein aktualisierter Grund­rechtskatalog – den brauchen wir! –, aber auch die uns direkt demokratische Instru­mente zu überarbeiten. Wir hatten gerade wieder ein Volksbegehren, wir hatten insge-


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