Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 40. Sitzung / Seite 49

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Daher ist mein Hauptargument das, dass die Europäische Union, der europäische Zu­sammenschluss, die Erweiterung ein Friedensprojekt ist. Die Philosophie des Krieges wird abgelöst durch eine Architektur des Friedens. Und die Erweiterung der Euro­päischen Union ist eine Erweiterung der Zone des Friedens. Das ist das stärkste Ar­gument, und dieses Argument wollen wir hinaustragen in die Bevölkerung und in die Öf­fentlichkeit. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

Weiters haben wir davon gesprochen, dass die Spaltung Europas überwunden wird und dass manches Unrecht und manche ganz schlimme Entwicklung – Diktatur, Terror, Unfreiheit – Teil der Nachkriegsordnung waren.

Österreich hat Glück gehabt. Die Rote Armee ist im Zuge der Auseinandersetzung, im Zuge des Kampfes gegen den Nationalsozialismus bis nach Österreich vorgedrungen, aber ein großer Teil Österreichs ist von dieser Besatzung frei geblieben, hat andere Besatzungsmächte gehabt. Wir haben die Kraft und den Willen zu einer gemeinsamen Regierung gehabt, wir konnten gleich ab 1945 ein demokratisches System aufbauen.

Andere Länder haben dieses Glück nicht gehabt. Ich denke an Ungarn: Zuerst die Diktatur von Horthy, dann wurde es in den Krieg hineingezogen, danach eine kurze Phase des Hoffens und der Demokratie – ich denke dabei an Anna Kethly – und dann wieder die sowjetische Besatzungsmacht, dann 1956, dann die Niederschlagung der Ungarischen Revolution. – Man muss sich vorstellen, wie viel an Hoffnung sich da entwickelt hat.

Ich könnte so die Geschichte Polens erzählen, genauso dramatisch, auch die Ge­schichte der Tschechoslowakischen Republik mit den ganz besonderen Brutalitäten in den Prozessen der fünfziger Jahre, Slansky und so weiter, und die Ereignisse des Jahres 1968.

Und dann die Chance, die samtene Revolution, die Möglichkeit, das zu verändern. Ich erinnere gerne an das Durchschneiden des Eisernen Vorhanges durch Alois Mock und Gyula Horn – ein symbolisches Ereignis. Ich erinnere an Prag, Vaclav Havel, Alexan­der Dubcek et cetera. Ich erinnere an den Fall der Berliner Mauer, an das Wort von Willy Brandt.

Ich erinnere auch an die vielen Hoffnungen, die wir den jungen Demokratien gemacht haben, an die Versprechen, die Staatspräsidenten abgegeben haben, wenn sie diese Länder besucht haben. Damit sind Erwartungen geweckt worden. – Nun kommt dieser Prozess zu einem Abschluss; es ist ein fairer Abschluss, nicht zum Vorteil der einen Seite und zum Nachteil der anderen Seite, sondern ein Abschluss im Interesse aller, wenn wir die Chancen nützen, wenn wir uns konzentrieren auf das, was noch getan werden muss.

Ich möchte nicht nur die historische Dimension beleuchten, sondern auch sagen, dass wir auch die soziale Dimension in den Vordergrund rücken müssen, dass es gute Vorschläge von den Gewerkschaften, von Sozialpolitikern, von Regierungschefs, von Regierungsmitgliedern gibt, dass dieses Projekt dann leben, gedeihen und blühen wird, wenn wir den sozialen Zusammenhalt ernst nehmen, wenn wir den Menschen nicht nur als Kostenfaktor auf zwei Beinen betrachten, sondern sagen: Eine Gesellschaft, die funktionieren soll, die akzeptiert werden soll, muss auch eine soziale Gesellschaft sein. Und dem fühlen wir uns in besonderer Weise verbunden. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Noch etwas: Mit der Erweiterung hängen natürlich auch institutionelle Fragen zusam­men. Wir haben sie diskutiert und werden sie weiter diskutieren – sie waren auch Gegenstand einer Aktuellen Stunde. Ich möchte nur Folgendes sagen: Ich glaube, alle


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