Nationalrat, XXII.GPStenographisches Protokoll61. Sitzung / Seite 30

HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite

Herr Minister! Wenn Sie verdiente österreichische Wissenschafter aus der National­ökonomie wie etwa Schumpeter oder Hayek zitieren, so ist das sehr lobenswert. Aber Sie sollten auch berücksichtigen, dass sogar sehr verdiente Wissenschafter ab und zu mit ihren Theorien veralten, denn auf eine moderne Nationalökonomie, auf eine moder­ne europäische Ökonomie passen diese Theorien schlicht und ergreifend überhaupt nicht mehr. (Beifall bei den Grünen. – Bundesminister Dr. Bartenstein: Ah so? Interes­sant!)

Sie orientieren sich aber zehnmal lieber an Modellen wie etwa der Flat-Tax, an einem Steuerwettbewerb nach unten, an einem Sozialdumping in Europa, das Sie ja sehr ger­ne aufgreifen, um eigene harte Maßnahmen gegen sozial Schwache zu rechtfertigen. Und das, Herr Minister, kreide ich Ihnen ganz besonders an! (Bundesminister Dr. Bar­tenstein: Wie die Elternteilzeit?!)

Wir wollen jetzt einmal darauf eingehen, was es denn heißt, wenn die österreichische Bundesregierung auf europäischer Ebene mit ihren Kolleginnen und Kollegen dersel­ben Denkschule den Vorschlag des europäischen Verfassungskonvents, nämlich „Voll­beschäftigung“, gegen das Wort „hohes Beschäftigungsniveau“ austauscht. (Abg. Mag. Molterer: ...! Oder was meinen Sie?)

Meine Damen und Herren! Was heißt denn das? – Es ist ja ganz klar, dass hier be­wusst eine Politik gemacht wird, die sich eine Manövriermasse aus Billigarbeits­kräften, die ständig unter dem enormen Druck der Verarmung stehen, halten will, um auf die anderen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Europa Druck auszuüben.

Das ist ein Konzept der Vergangenheit, das sich noch nie bewährt hat. Europa hatte gute und große Erfolge, auch wirtschaftliche Erfolge durch das Modell der sozialen Marktwirtschaft, durch das Modell, in dem versucht wurde, Massenwohlstand zu sichern und zu halten.

Meine Damen und Herren! Sie wollen jetzt den amerikanischen Weg gehen, wo durch Drohung, also mit Druck, die Arbeitskraft des einzelnen Berufstätigen dem Arbeits­markt so weit wie möglich zur Verfügung gestellt werden soll. Aber, meine Damen und Herren, dieses Modell funktioniert auf Dauer nicht. Sie haben damit eine geringere Wertschöpfung pro Kopf, hohe Unzufriedenheit und ein hohes soziales Risiko für alle Nationalökonomien, vor allem für die gesamteuropäische Ökonomie.

Und wenn Sie dann als einzigen Ersatz die Lissabon-Ziele nennen, unverbindliche Zielsetzungen, hinsichtlich deren jetzt in einem Zwischenbericht schon festgestellt worden ist, dass sie nicht erreicht werden mit den Strategien, die angeboten werden, dann muss ich nicht nur Sie kritisieren, sondern auch die Kollegen von der euro­päischen Sozialdemokratie, die glauben, mit diesem Modell irgendetwas erreichen zu können.

Wir brauchen ein Mindestmaß, wir brauchen im Steuerwettbewerb eine „Abdichtung“ nach unten – das brauchen wir mehr als dringend, sonst gefährden wir die euro­päischen Sozialsysteme endlos (Beifall bei den Grünen), sonst bringen wir die euro­päischen Sozialsysteme so unter Druck, dass das, was Sie als soziale Marktwirtschaft und das schöne Dreieck, das in Ausgewogenheit existieren muss, bezeichnen – näm­lich das Dreieck Ökonomie, Ökologie und soziale Rechte –, aus dem Gleich­gewicht gerät. (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.)

Meine Damen und Herren! Ein soziales Europa ist unverzichtbar für die wirtschaftliche Weiterentwicklung, aber auch für die nachhaltige ökologische Sicherheit in Europa. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

9.42

 


HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite