berg angelobt wurden, auf ÖVP-Seite Karl Schleinzer und Rudolf Sallinger und viele andere und auf freiheitlicher Seite Gustav Zeillinger und Dr. Broesigke. Es wird Sie vielleicht interessieren, dass damals bei der Wahl des Präsidenten Anton Benya mit 164 Stimmen gewählt wurde. Vier Stimmen sind auf andere Abgeordnete entfallen, und der Rest auf 182 – denn es haben 182 mitgestimmt – war ungültig. Dann ist die Wahl des Zweiten Präsidenten auf der Tagesordnung gestanden. Es hatte damals die SPÖ eine absolute Mehrheit. Der Kandidat für das Amt des Zweiten Präsidenten war Alfred Maleta, und er hat 165 Stimmen bekommen. Fünf Stimmen sind auf andere Kandidaten entfallen, und es waren um zwei weniger ungültig als beim Amt des Präsidenten.
Ich weiß nicht, ob ich das jetzt sagen darf und sagen soll, aber am Abend dieses Tages beim Empfang beim Bundespräsidenten hat dann ein führender Funktionär der SPÖ-Fraktion zu mir gesagt: Na, da hat der Herr Klubsekretär nicht ordentlich aufgepasst, dass der Zweite Präsident eine Stimme mehr hat als der Erste Präsident! (Heiterkeit des Abg. Dr. Khol.) – Ich habe mir das ewig gemerkt, obwohl ich glaube, dass damit die Einflussmöglichkeiten des Klubsekretärs ein bisschen überschätzt wurden.
Seit meiner Angelobung im Jahre 1971 – ich habe mir das ausrechnen lassen – habe ich an 1 331 Plenarsitzungen des Nationalrates teilgenommen. (Allgemeiner Beifall.) Es hat in diesem Zeitraum 844 Damen und Herren gegeben, die als Mitglieder des Hohen Hauses tätig waren, ich habe also gewissermaßen 844 Parlamentarier kommen und gehen gesehen.
1975 bin ich zum Geschäftsführenden Klubobmann gewählt worden, damals als Visavis von Stephan Koren und später von Alois Mock. Und selbst wenn ich die Zeit als Wissenschaftsminister abzähle, habe ich seither an etwas mehr als 820 Präsidialsitzungen teilgenommen.
Sie können mir glauben, dass man in einer so langen Zeit den österreichischen Parlamentarismus ziemlich genau kennen lernt, dass man Höhepunkte und Tiefpunkte erlebt, Stärken und Schwächen beobachtet, dass man auf vieles stolz ist, manchmal etwas lieber aus den Annalen des Parlamentarismus streichen würde, aber insgesamt zum begeisterten und überzeugten Parlamentarier wird. Dabei ist mir durchaus bewusst – und ich will mich nicht in eine Euphorie hineinsteigern –, dass weder unser Parlamentarismus noch unsere Demokratie fehlerlos ist, weil es den fehlerlosen Parlamentarismus ebenso wenig gibt wie fehlerlose Menschen oder fehlerlose Politik oder fehlerlose Parteien.
Aber eines glaube ich mit Bestimmtheit sagen zu können, nämlich dass sich der österreichische Parlamentarismus im Vergleich mit anderen europäischen Parlamenten nicht nur nicht verstecken muss, sondern durchaus sehen lassen kann. Und darauf bin ich stolz, das ist wichtig, und das möchte ich heute betonen. Und ich möchte hinzufügen, dass in diesem Haus nach allem, was ich beobachten kann, wirklich ernsthafte, engagierte und über weiteste Strecken sachliche Arbeit geleistet wird, und ich bitte die österreichische Öffentlichkeit, mir das zu glauben und mich als Zeugen dafür, für diese engagierte Arbeit der Damen und Herren im Parlament, zu akzeptieren. (Allgemeiner Beifall.)
Zum Unterschied von der Ersten Republik, die uns in den Untergang geführt hat, wie wir alle wissen, haben wir in der Zweiten Republik den Weg in die demokratische Normalität gefunden – das ist ein Ausdruck, der kürzlich in einem Gespräch zwischen dem Bundeskanzler und mir gefallen ist –: demokratische Normalität, die bedeutet, dass über alle Meinungsverschiedenheiten hinweg und über alle Gegensätze hinweg gemeinsame Arbeit uns verbindet – in der gemeinsamen Absicht, uns von diesem Weg der demokratischen Normalität niemals und unter keinen Umständen abbringen zu lassen.