Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 81. Sitzung / Seite 10

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Meine Damen und Herren! Wir haben am 1. Mai dieses Jahres einen historischen Schritt vollzogen: Die Europäische Union wurde von einer Union der 15 auf eine Union der 25 erweitert. Das ist ein Schritt, der auf dem Papier stattgefunden hat und nun Schritt für Schritt in die Realität umgesetzt werden soll, und die Europäische Union der 25 soll in Zukunft zumindest genauso gelebt werden wie die Union der 15. Aber wir wissen – nicht nur aus der Betroffenheit der Bürger, sondern auch aus eigener Erfah­rung –, dass noch viel unternommen werden muss, damit diese Union der 25 wirklich gut funktioniert.

Eine Grundvoraussetzung dafür wird sein, dass die Europäische Verfassung, die ja bereits beschlossen wurde, auch in allen Mitgliedstaaten der EU ratifiziert wird. Wir müssen aber mit einiger Sorge zur Kenntnis nehmen, dass es eine Reihe von Mitglied­staaten gibt, bei welchen es bei weitem nicht sicher ist, dass diese Verfassung auch tatsächlich auf die Zustimmung der Parlamente oder der Bürger treffen wird.

Ich glaube, dass Österreich einen guten Schritt damit setzt, dass wir diese Europäische Verfassung hier im Hohen Haus ratifizieren. Damit setzen wir nämlich ein klares Zei­chen, dass Österreich bereit ist, dieser Union der 25 auch eine funktionsfähige Grund­lage zu geben.

Aber es wird an Ihnen – nicht nur an Ihnen, aber auch an Ihnen, Frau Außenministe­rin – liegen, im Gespräch und in den Verhandlungen mit den Kolleginnen und Kollegen einen Beitrag dazu zu leisten, dass diese Europäische Verfassung möglichst rasch in Kraft gesetzt wird, denn nur dann wird das Europa der 25 auch ein gelebtes Europa in der neuen Europäischen Union sein. – Wir sagen ja zur Europäischen Verfassung, aber wir wollen, dass es eine gemeinsame Europäische Verfassung gibt und dass sie möglichst rasch von allen EU-Mitgliedstaaten ratifiziert wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der gerade scheidende österreichische EU-Kommissar Franz Fischler hat im Sommer dieses Jahres einen sehr bedeutsamen Brief an die anderen Mitglieder der scheidenden EU-Kommission geschrieben. Neben vielen Erwägungen, die er darin um die Frage „Wie kann Europa sein künftiges Ver­hältnis zur Türkei regeln?“ anstellt, stellt er am Schluss seines Briefes eine Kernfrage, nämlich: Ist es die Kernaufgabe Europas, sich zu erweitern, oder ist es die Kernauf­gabe der Europäischen Union, sich selbst zu stärken, um als gestärkte Union nicht nur in der Welt, sondern auch gegenüber den eigenen Bürgerinnen und Bürgern auftreten zu können? – Und er kommt zu folgender klarer Auffassung: Die Stärkung der EU der 25 ist das Kerngeschäft der Europäischen Union vor jeder weiter stattfindenden Erwei­terung.

Ich bin der Meinung, Franz Fischler hat Recht! Wenn wir wollen, dass die EU eine stärkere Verankerung bei den Bürgerinnen und Bürgern hat, wenn wir wollen, dass die Europäische Union tatsächlich die Zielsetzungen erfüllen kann, die wir mit ihr verbin­den, dann ist die Stärkung der Europäischen Union die Hauptaufgabe, die wir in den nächsten Jahren anzugehen haben.

Meine Damen und Herren! Vor diesem Hintergrund stellt sich natürlich die Frage: Wie regeln wir unser Verhältnis zu jenen Staaten, die teilweise in Europa und teilweise außerhalb Europas liegen? – Da stellt sich schon die Frage, ob die einzige Möglichkeit darin besteht, dass jedes europäische Land Mitglied der Europäischen Union wird. Können wir uns vorstellen, dass es einmal eine Europäische Union gibt, die vom Atlantik bis Wladiwostok geht? Können wir uns vorstellen, dass all die europäischen Staaten, die heute besser oder schlechter einen politischen Transformationsprozess durchmachen, Mitglied der Europäischen Union sind und wir gleichzeitig erreichen, dass diese Europäische Union in sich gestärkt wird?

 


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite