Ich teile da die Argumentation von Franz Fischler, der sagt: Man kann ein erfolgreiches Projekt auch überdehnen, mit der Folge, dass man damit die Wirksamkeit und die Funktionalität des gesamten Projekts gefährdet.
Daher, sehr verehrte Frau Außenministerin, sind wir der Auffassung, dass es neben einer Mitgliedschaft in der Europäischen Union auch eine andere Form einer Kooperation beziehungsweise eines Vertragswerkes mit jenen europäischen Staaten geben muss, die eben nicht Mitglied der Europäischen Union sind, um mit ihnen ein gutes Verhältnis zu haben, um mit ihnen die Kooperation zu verstärken, aber gleichzeitig zu verhindern, dass das europäische Projekt dabei gefährdet wird. Die Verhandlungen mit der Türkei wären ein gutes – ein gutes! – Beispiel, ein solches Vertragswerk zu entwickeln, das dann auch eine Grundlage sein kann für andere europäische Staaten, wenn sie entsprechende politische und ökonomische Reformen vollziehen.
Sehr verehrte Frau Außenministerin! Ich habe mit Interesse vernommen, dass Sie der Meinung sind, dass der Ausgang der Verhandlungen, die im Dezember beginnen, ein offener sein wird.
Aber es gibt auch viele Menschen, die glauben – und ich meine: mit einem gewissen Recht –, dass, wenn die Verhandlungen einmal begonnen haben, am Ende mit Sicherheit der Beitritt steht – weil es eigentlich noch nie Verhandlungen, die auch den Beitritt eingeschlossen haben, gegeben hat, die letztendlich nicht zum Beitritt geführt hätten. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Rauch-Kallat.) Bei Norwegen war es so, dass es die Norweger dann abgelehnt haben, aber es hat einen fertigen Beitrittsvertrag gegeben, Frau Bundesministerin. Die Norweger haben eben dann entschieden, nicht beizutreten. – Wie gesagt, alle Verhandlungen mit der Zielsetzung eines Beitritts haben zu einem Abschluss der Beitrittsverhandlungen geführt.
Wenn heute gesagt wird, das sei ein Projekt
für die nächsten 20 Jahre, dann muss ich dem entgegenhalten: Man sieht im
Kommissionsbericht, dass eigentlich in Aussicht genommen wird, dass bereits
bei der nächsten Finanzvorschau im Jahr 2014 die Türkei als Mitglied
aufgenommen werden kann. Wenn man den Bericht der Kommission und die ersten
Stellungnahmen aus dem Europäischen Parlament verfolgt, dann stellt man fest:
Es gibt manche, die der Meinung sind, diese Verhandlungen sollten nur vier oder
sechs Jahre dauern, um dann zu einem Abschluss gebracht zu werden. Daher ist
es, glaube ich, gerade in Verantwortung um die Zukunft der Europäischen Union
von entscheidender Bedeutung, dass es für europäische Staaten im Dialog auch
eine Alternative zur Mitgliedschaft in der Europäischen Union gibt. Wir
sollten das ernst nehmen, was Franz Fischler allen ausgerichtet hat, nämlich:
Die Stärkung der Europäischen Union ist das allererste Ziel! – Wir
Sozialdemokraten teilen diese Zielsetzung. (Beifall
bei der SPÖ.)
Gemeinsame Außenpolitik heißt, Frau Bundesministerin, dass wir in wesentlichen Fragen von Krieg und Frieden versuchen, eine gemeinsame Position in Österreich zu entwickeln. Ich verhehle nicht, dass ich einigermaßen irritiert war durch die Aussagen, die im Zuge des Irak-Krieges von Seiten der Bundesregierung getroffen wurden. Wenn unsere scheidende Außenministerin zum Irak-Krieg seinerzeit gesagt hat: Wir stehen in der Mitte!, dann muss ich sagen: So verstehen die Österreicherinnen und Österreicher die Neutralität nicht! Denn: Neutralität heißt nicht, in der Mitte zu stehen, sondern heißt, glasklar kriegerische Auseinandersetzungen, die keine Deckung durch den Weltsicherheitsrat der UNO haben, abzulehnen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) Und das erwarte ich mir auch als Grundlage für die künftige Politik.
Österreich hat gerade auf Grund seiner Neutralität mit dem Bekenntnis, an keinen Kriegen teilnehmen zu wollen, mit dem Bekenntnis, keine Stationierung fremder Truppen auf seinem Territorium zu dulden, und mit der Verpflichtung, keinem Militärpakt beizu-