Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 92. Sitzung / Seite 26

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warten in dieser Beziehung auf Maßnahmen im Jahre 2005, um das Dutzend der Rücktritte noch etwas aufzufetten.

Außerdem kann keine Rede davon sein, dass diese Bundesregierung in einem glän­zenden Zustand ist. (Abg. Großruck: In einem hervorragenden! Im besten!)

Ich komme jetzt zum zweiten Thema: Diese Bundesregierung hat es nicht einmal geschafft, vor der Reise von Bundeskanzler Schüssel nach Brüssel eine einheitliche Stellungnahme zu der Frage zu finden, wie denn nun mit der Verhandlungsfrage betreffend EU-Beitritt der Türkei umzugehen ist. (Abg. Mag. Molterer: Die Opposition auch nicht!)

Die Opposition ist nicht verpflichtet, diesbezüglich eine einheitliche Linie zu finden. Ich fühle mich in keiner Weise verpflichtet, mit der SPÖ in irgendeinem Punkt überein­zustimmen. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Noch nicht!) Das müssten wir separat ent­scheiden. Aber Sie bilden die Regierung, und für Sie ist es eine Blamage, wenn Sie das nicht schaffen! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Was ist passiert? – Bundeskanzler Schüssel reist nach Brüssel und unterschreibt dort das Papier, in dem die Aufnahme von Verhandlungen mit der Türkei gutgeheißen wird. Ich begrüße das ausdrücklich (Abg. Dr. Stummvoll: Jawohl!), sage aber auch dazu: Wenn heute hier eine Abstimmung oder eine Volksabstimmung über den Beitritt der Türkei hier und jetzt stattfände, dann würde ich mit Nein stimmen. Ich verstehe deshalb diese Bedenkenträgerei von Seiten der SPÖ nicht, denn es ist ja keine Frage, dass die Türkei heute nicht beitrittsfähig ist, genauso wenig wie die EU heute aufnahmefähig ist! Dazu dienen ja die Verhandlungen. Dieser Punkt ist okay.

Dann, Freitag Abend, warum auch immer, bekommt der Bundeskanzler kalte Füße. Er sagt: Oje, ich habe nicht alles erreicht, was ich mir vorgenommen habe. Ich will das durch eine Volksabstimmung abgesegnet haben. – Kein Mensch macht Ihnen wegen Ersterem einen Vorwurf, ich zumindest nicht. (Abg. Großruck: Wäre schon gekom­men!)

Jetzt plötzlich und postwendend sollen die drei anderen Parteien dem zustimmen? Die FPÖ stimmt dem natürlich zu, das ist eh klar. Sie waren ja immer der Meinung, dass es eine Volksabstimmung geben soll. (Abg. Dr. Jarolim: Ist das seriös? Es ist eine Frage, ob das seriös ist!) Aber, Herr Bundeskanzler, haben Sie nicht vor einiger Zeit – es ist nicht lange her – anlässlich einer Idee der FPÖ, eine Volksabstimmung bei der Erweiterung der EU von 15 auf 25 Mitglieder durchzuführen, wörtlich gesagt, Sie halten nichts von populistischen Drohgebärden, die innenpolitisch gut klingen, aber außen­politisch nur schaden?! – Klare Worte, ausgezeichnet! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Und das soll die Kontinuität der ÖVP-Politik sein, die Herr Molterer vorhin beschworen hat? Das ist ja exakt das Gegenteil von dem, was Sie jetzt machen! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Damals war es eine populistische Drohgebärde, die nur schadet und höchstens innenpolitisch gut klingt. Lesen Sie die Zeitungen! Das ist ja nach der PISA-Studie nicht verboten. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen.) Die wirtschaftlichen Bezie­hungen zur Türkei sind ja tatsächlich bereits angespannt. Das erreichen Sie auf diese Art.

Ferrero-Waldner sagte noch am 25. Oktober dieses Jahres – das ist ja nicht irgend­wann –: Für eine Volksabstimmung zur Türkeifrage in Österreich bin ich nicht, allenfalls für ein europaweites Referendum.

Ferrero-Waldner – uninteressant! Schüssel vor zwei, drei Jahren – uninteressant! Zählt nicht. Jetzt sind Sie plötzlich dafür und wollen das. Nächste Stufe: Volksabstimmung.

 


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